Tarifpolitik & Tarifrecht

Arbeitszeit zeitgemäß gestalten

Viele Branchen benötigen angesichts einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Wirtschaftswelt flexiblere Arbeitszeiten. Die Arbeit in fristgebundenen Projekten sowie über mehrere Zeitzonen hinweg machen es erforderlich, dass die Mitarbeiter zur kundenorientierten Fertigstellung der Projekte und Sicherstellung des Austauschs mit den Kollegen in anderen Zeitzonen zeitlich flexibler arbeiten können.

Hierzu ist die Flexibilisierung starrer Tarifregelungen durch die Tarifparteien erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Hessen zu erhalten. Begrenzend für eine solche zeitgemäße Arbeitszeitpolitik stehen aber nicht nur tarifliche Regelungen, sondern vorrangig die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Diese basieren auf der Vorstellung einer Arbeitswelt, in der weit überwiegend regional und in festen, planbaren Schichtsystemen gearbeitet wird.

In der Welt der Arbeit 4.0 hingegen werden viele Arbeitsplätze, z. B. durch die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens, nicht mehr statisch ausgestaltet sein, und auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Erledigung der Aufgaben werden sich für die Beschäftigten häufig neue Möglichkeiten ergeben.

Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes

Der Gesetzgeber ist hier gefordert, z. B. bei der Höchstarbeitszeit von der aktuellen Tages- hin zu einer Wochenbetrachtung zu wechseln. Und auch die heute bestehende Ruhezeitzeitvorgabe von 11 Stunden bedarf der Flexibilisierung und möglichen Ausweitung, insbesondere, wenn in vertretbaren Zeiträumen insgesamt für entsprechende Erholzeiten gesorgt ist.

Auf der Basis solcher modifizierter gesetzlicher Arbeitszeitregelungen können dann die Tarifvertragsparteien der einzelnen Branchen branchenspezifische und passgenaue Arbeitszeitregelungen schaffen, die Beschäftigten und Arbeitgebern in einer modernen Arbeitswelt gleichermaßen zugutekommen.

Dies nützt nicht nur der Arbeitgeberseite: auch die Beschäftigten profitieren z. B. bei der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie von diesen Veränderungen des gesetzlichen Arbeitszeitrahmens.

Vorteile der Tarifbindung

Die Tarifautonomie ist einer der Erfolgsfaktoren der deutschen Wirtschaft. Das Verhandeln von Arbeitsbedingungen im Flächentarifvertrag bewirkt die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen bei den Arbeitskosten; die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Lage im Rahmen der Tarifverhandlungen führt regelmäßig zu einem fairen Ausgleich der Interessen von Arbeitgebern und Beschäftigten. Und bei wirtschaftlichen Schieflagen kann durch tarifliche Sonderregelungen im Einzelfall ein tragbarer Kompromiss gefunden werden.

Ein weiterer großer Vorteil der Tarifbindung ist, dass der Streit über sensible Themen wie das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung in Form von Arbeitszeit und Entgelt aus den einzelnen Betrieben herausgehalten wird und letztendlich unter Anlegung eines objektiven, branchenweiten Maßstabs die Waage ins Lot gebracht wird.

Und ganz wichtig: Industrie- und branchenweite Flächentarifverträge schaffen Planungssicherheit und sorgen für störungsfreie Lieferbeziehungen, z. B. im Verhältnis von OEMs und Zulieferern.

Wie die Vielzahl gesetzlicher Öffnungsklauseln zu Gunsten von Tarifverträgen in Gesetzen zeigt, traut der Gesetzgeber letztendlich nur den Tarifparteien die Schaffung gesetzesändernder Regelungen der Arbeitsbeziehungen in wichtigen Kernfragen zu.

Schlussendlich steigert die Tarifbindung als Gütesiegel für die gewährleisteten Arbeitsbedingungen das Vertrauen der Belegschaft auch in die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und sorgt somit nicht nur für Betriebsfrieden, sondern die Zufriedenheit der Beschäftigten, ein in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zu unterschätzender Vorteil.

VhU-Arbeitskreis Tarifpolitik und Verhandlungen

Ziel des Arbeitskreises ist der Austausch der Tarifpolitiker aus den Mitgliedsverbänden zu aktuellen tarifpolitischen Fragestellungen, die häufig alle Branchen gleichermaßen betreffen. Hier können Synergie-Effekte durch das Voneinander-Lernen der verschiedenen Branchen erzielt werden. Häufig werden sich auch für eine Branche auf tarifliche Fragestellungen gefundene Antworten ähnlich auf entsprechende Fragestellungen in anderen Branchen übertragen lassen.

Durch den regelmäßigen Austausch der VhU-Tarifpolitiker untereinander können zudem frühzeitig thematische Trends, die sich aus Gesetzesänderungen oder Gewerkschaftswünschen ergeben, identifiziert und Reaktionsmöglichkeiten darauf erörtert werden.

Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld des Arbeitskreises ist die Beobachtung zur Entwicklung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen. Solche ergehen regelmäßig für den Bereich eines Bundeslandes und können auch Indizwirkung für andere Branchen haben.

Der Arbeitskreis trifft sich zweimal jährlich virtuell (1. und 3. Quartal) zum Erfahrungsaustausch und zweimal jährlich in Präsenz (2. und 4. Quartal), wobei neben einem pro Präsenzsitzung gesetzten Schwerpunktthema allgemeine tarifpolitische und tarifrechtliche Fragestellungen besprochen werden.


Wir legen den Gewerkschaften, hier der IG Metall, unsere Positionen auch im Rahmen von Demonstrationen wie hier vor dem Haus der Wirtschaft Hessen dar.
 


"Mehr Investitionen in den Strukturwandel statt überzogener Lohnsforderungen", gilt leider seit vielen Jahren als erforderliche Mahnung an die Gewerkschaftsseite.

Ansprechpartner
Peter Hampel

Peter Hampel
Tarifwesen und Arbeitswissenschaft