Mehr Investitionen und Innovationen am Heimatstandort

Erwartungen der hessischen Wirtschaft an die Politik nach der Bundestagswahl 2021

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Aus- und Weiterbildung

13 Aus- und Weiterbildung flankierend unterstützen

13.1 Berufliche Bildung aufwerten, aber nicht überregulieren

Die berufliche Bildung ist ein wesentlicher Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft. Sie liegt vor allem aber auch in der primären Verantwortung der Unter­nehmen, der Sozialpartner sowie im Bereich der Berufsschulen als dualer Partner in der Kultushoheit der Länder. Der Bund kann einen Beitrag leisten, die berufliche Bildung zu unterstützen und insgesamt zu stärken. Das hat in der vergangenen Legislaturperiode projektorientiert gut funktioniert, wie bspw. mit dem Netzwerk Q4.0. Eine flankierende Unterstützung kann in dieser Form in der kommenden Legislaturperiode themenorientiert und unter Einbindung der Sozialpartner weiter angedacht werden. An anderer Stelle und insbesondere dann, wenn ein gesetzlicher Regelungsbedarf gesehen wurde, war der Mehrwert hingegen beschränkt, wie sich am Beispiel des Berufsbildungsmodernisierungsgesetzes gezeigt hat. Das Motto der kommenden Regierung sollte daher im Bereich der Aus- und Weiterbildung lauten: Ja zur flankierenden Aufwertung und Unterstützung, Nein zu Regelungsbestrebungen geschweige denn zu weiteren gesetzlichen Regelungen, wie sie immer wieder in der ein oder anderen Partei diskutiert werden. 

13.2 Betriebliche Weiterbildung in Verantwortung der Unter­nehmensführung  

In der vergangenen Legislaturperiode ist die betriebliche Weiterbildung politisch stärker in den Fokus gerückt, beispielsweise in der von der Politik initiierten Nationalen Weiterbildungsstrategie. Auch gab und gibt es Bestrebungen, die Mitbestimmung der Betriebsräte auszuweiten und Vorgaben für die innerbetriebliche Qualifizierung zu machen, etwa über Weiterbildungspläne. Betriebliche Weiterbildungsbedarfe sind jedoch eng verknüpft mit strategischen Unter­nehmenszielen, Weiterentwicklungen von Geschäftsprozessen und -produkten. Daher ist auch die Frage über die betrieblich notwendigen Qualifizierungen bei der Unter­nehmensführung in den richtigen Händen. Eine Ausweitung der Mitbestimmung ist ebenso abzulehnen wie staatliche Vorgaben und Verpflichtungen für die Durchführung und Organisation der betrieblichen Weiterbildung.

13.3 Gesetze und Instrumente an Praxis anpassen und evaluieren

Das Qualifizierungschancengesetz ist in der vergangenen Legislaturperiode in Kraft getreten, verbunden mit der Zielsetzung einer möglichst breiten Weiterbildungsförderung für Berufstätige, gering Qualifizierte und Personen ohne Berufsabschlüsse. Um die Förderung für die Nutzung praktikabler zu gestalten, sollte der Umfang einer förderfähigen Maßnahme bezogen auf Stundenanzahl und Teilnehmergröße weiter reduziert und e-Learning- bzw. Blended-Learning-Ansätze integriert werden. Das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ ist ein Beispiel dafür, dass gut gemeint nicht zwingend mit den Praxisbedarfen korreliert. Mehr Flexibilität und weniger Bürokratie heißt die Devise für bestehende und künftige Programme, wenn eine Nutzung tatsächlich intendiert ist. Eine künftige Bundesregierung sollte außerdem den Wirkungserfolg der zwischen 2017 und 2021 angestoßenen Maßnahmen – wie das Qualifizierungschancengesetz, das Programm „Ausbildung sichern“, die neu eingeführten Abschlussbezeichnungen der Fortbildungen oder die Nationale Weiterbildungsstrategie – evaluieren, vornehmlich mit Blick auf den Nutzen und die Praxistauglichkeit der Rahmenbedingungen.

13.4 Förderung von Weiterbildung ausweiten

Unternehmerische Innovationsfähigkeit wird häufig und zurecht mit Forschung und Entwicklung assoziiert. Aber auch Weiterbildung kann als Innovationstreiber fungieren. Daher ist es sinnvoll, Unter­nehmen steuerlich stärker zu fördern, wenn sie in Qualifizierung investieren.

13.5 Lebenslanges Lernen und IT Kompetenzen zielgerichtet fördern

In Deutschland braucht es einen Kompetenzschub in Richtung IT. Gleichzeitig ist lebenslanges Lernen eine Daueraufgabe, der sich jeder annehmen muss. Daher sollte die kommende Bundesregierung einen Innovationsimpuls setzen, denkbar als Sonderlinie des Aufstiegs-BAföG. Denkbar wäre im Sinne des lebenslangen Lernens ein individuelles und virtuelles Qualifizierungsdashboard. Der bereits in dieser Legislaturperiode diskutierte MILLA-Ansatz war ein interessanter Impuls, allerdings zu kompliziert, übergriffig in einem freien Markt und unnötigerweise reglementierend. Der Grundgedanke, ein virtuelles Gesamtangebot mit unmittelbaren Ko-Finanzierungsoptionen für verschiedene Weiterbildungsnuggets zu verknüpfen, die von einzelnen Kursen bis zu abschlussorientierten Maßnahmen reichen, sollte eine kommende Bundesregierung jedoch weiterentwickeln.

13.6 Werbung für die duale Ausbildung

Die Wertschätzung der Politik für die berufliche Bildung und insbesondere für die duale Ausbildung ist groß. Das ist positiv und künftig unerlässlich, denn der Fachkräftebedarf der Unter­nehmen wird über die Pandemie hinaus weiterhin existieren, auch wenn sich Berufsfelder wandeln. Diese Wertschätzung manifestiert sich jedoch nicht in den Bildungsausgaben. Sind die Mittel im staatlich näherliegenden hochschulischen System seit Jahren konstant im Milliardenbereich, beispielsweise im Rahmen der ohne Zweifel notwendigen Exzellenzinitiative oder der Exzellenzstrategie, hinken die Ausgaben für die berufliche Bildung ebenfalls konstant hinterher. Ein Hauptgrund liegt dafür natürlich in der primären Finanzierungsbeteiligung der Unter­nehmen, daher ist eine vergleichbare Investition des Staates nicht notwendig. Was die Politik jedoch tun kann, ist der Wertschätzung umfangreicheres und finanziell hoch dotiertes Werben folgen zu lassen. Wichtig hierbei: Es geht nicht um Markenbildung, eine „höhere Berufsbildung“ oder eine Angleichung an die akademische Welt. Es geht um konkretes Bewerben der Chancen der dualen Ausbildung durch eine umfangreiche deutschlandweite Imageförderung.

13.7 Förderung von Mobilität, Wohnen und Begabung 

Eine Aufwertung der Ausbildungen geht auch mit finanziellen Anreizen einher. Ansatzpunkt hierfür ist die Berufsausbildungsbeihilfe. Es ist positiv, dass in der Legislaturperiode 2017 – 2021 die Sätze angehoben wurden. Die neue Bundesregierung sollte die Zielgruppen der Beihilfe erweitern und die Freibeträge anpassen. Zusätzlich geht es um weitere Förderungen von Mobilität und Wohnen, beispielsweise durch die Öffnung studentischen Wohnens anteilig auch für Auszubildende oder einen Mobilitätszuschuss für Auszubildende, die zum Arbeitsort pendeln oder ziehen müssen, der weiter als 50 Kilometer entfernt ist. Für die Anerkennung begabter Auszubildender könnte auch ein Stipendium analog zum Deutschlandstipendium oder ein Begabtenförderwerk der Beruflichen Bildung ins Leben gerufen werden, das mehr ist, als die Verwaltungseinheit von Aufstiegs- und Weiterbildungsstipendium.

13.8 Innovationspakt Berufsschulen abschließen

Der Bund sollte gemeinsam mit den Ländern ein Sonderförderprogramm für die Berufsschulen aufsetzen, um die Berufsschulen in Deutschland in Infrastruktur und Ausstattung zukunftsfest zu machen. Analog zum Digitalpakt könnte der Bund in die Ausstattung der Berufsschulen und auch in die überbetrieblichen Ausbildungsstätten investieren und damit einen Beitrag leisten, die duale Ausbildung in ihrer Qualität zu steigern.