Mehr Investitionen und Innovationen am Heimatstandort

Erwartungen der hessischen Wirtschaft an die Politik nach der Bundestagswahl 2021

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Klima

23 Klimaschutz geht wirksamer – und günstiger

23.1 Brennstoffemissionshandel reformieren: Menge deckeln, Fixpreise abschaffen

Mit dem nationalen Brennstoffemissionshandel für Wärme und Verkehr wurde ein Instrument zur Begrenzung der CO2-Menge eingeführt. Das ist richtig, weil allein die CO2-Menge ökologisch relevant ist, nicht der Preis. Jedoch behindern die bis mindestens 2026 festgelegten Fixpreise für CO2-Zertfikate die Absenkung der Zertifikate-Menge. Damit konterkarieren sie die ökologische Wirkung eines CO2-Deckels und machen Klimaschutz unnötig teuer. Bundestag und Bundesrat sollten die Fixpreise abschaffen sowie die Zertifikate-Menge direkt im Brennstoffemissionshandelsgesetz deckeln und schrittweise absenken – aktuell ist die Mengenbegrenzung nur aus der EU-Klimaschutzverordnung ableitbar. Darüber hinaus ist ein wirksamer Carbon Leakage Schutz zum Erhalt der grenzüberschreitenden Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unter­nehmen zu gewährleisten.

23.2 Instrumentenkasten der Klimapolitik entrümpeln, für EU-weiten CO2-Deckel

Im Jahr 2018 wurden weltweit rund 37 Mrd. t CO2 emittiert. Davon stammten ca. 760 Mio. t (2 Prozent) aus Deutschland – das ist im weltweiten Maßstab sehr wenig. Nationale Alleingänge sind teuer und die Instrumente ökologisch teils ohne Wirkung. Die deutsche und die europäische Klimapolitiken sollten besser aufeinander abgestimmt werden – mit Vorrang für die EU. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, den seit Jahren erfolgreichen EU-Emissionshandel für Industrie, Energiewirtschaft und innereuropäischen Luftverkehr um ein zweites, separates „Cap-and-Trade“-System für Wärme und Verkehr zu ergänzen. Der nationale Brennstoffemissionshandel kann hier als Blaupause dienen. Eine CO2-Deckelung stellt die Einhaltung politisch vorgegebener Klimaschutzziele sicher. Eine darüber hinausgehende Regulierung bringt keine zusätzlichen Minderungseffekte. Der Bund sollte den kleinteiligen und oft widersprüchlichen Instrumentenmix reduzieren. Vorgaben, Steuern, Abgaben und Fördersysteme wie EEG, CO2-Flottengrenzwerte bei Neuwagen, Quoten und Verbote sollten aus dem Instrumentenkasten deutscher bzw. europäischer Klimapolitiken entfernt werden.

23.3 Klimaziele: ökonomische Umsetzbarkeit sichern

Die deutschen Klimaziele, eingebettet in den EU-Rahmen, sind bereits hoch ambitioniert. Eine Verschärfung des EU-Minderungsziels von minus 40 auf 55 Prozent im Jahr 2030 erhöht das Risiko, dass Emissionen lediglich in andere Regionen verlagert werden. Das 55-Prozent-Ziel erscheint unrealistisch. Insbesondere die heimische Industrie ist durch internationale Wettbewerber mit niedrigeren Klimaschutz-Standards benachteiligt. Aus diesem Grund ist es wichtig, auch die politische und ökonomische Umsetzbarkeit von Klimazielen zu sichern. Bundestag und Bundesregierung sollten den Fokus auf die Auswahl geeigneter Instrumente legen, wie die Treibhaugasreduktion ökologisch effektiv und ökonomisch effizient zu erreichen ist, nicht auf Zielverschärfungen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass viele Unter­nehmen bereits seit Jahren ihre Klima- und Energieeffizienzpotenziale ausschöpfen und weitere Einsparmöglichkeiten nur begrenzt möglich sind. Diese Unter­nehmen dürfen für ihre Anstrengungen nicht strukturell benachteiligt werden, etwa indem notwendige Kompensationszahlungen an klimapolitische Investitionsbedingungen geknüpft würden.

23.4 CO2-Grenz­ausgleichs­mechanismus: Keine Handelskonflikte riskieren

Der von der Europäischen Kommission erwogene CO2-Grenz­ausgleichs­mechanismus ist bisher lediglich skizzenhaft beschrieben. Aus heutiger Sicht ist nicht ersichtlich, ob und wie damit die Problematik unterschiedlicher internationaler Klima­schutz­ambitionen und den damit verbundenen Wettbewerbs­verzerrungen wirksam begegnet werden kann. Die Bundesregierung sollte sich für eine ergebnisoffene Prüfung von alternativen Instrumenten einsetzen. Sie muss darauf achten, dass die EU keine Handelskonflikte riskiert. Praktische Umsetzbarkeit, mögliche Auswirkungen auf die komplexen Wertschöpfungsketten und -netzwerke sowie auf die Exportseite der Wirtschaft sind bei der Bewertung der Alternativen ausführlich zu würdigen. Die klimapolitisch motivierten Belastungen in der EU machen auf absehbare Zeit einen erweiterten Carbon Leakage-Schutz für heimische Unter­nehmen notwendig.

23.5 Synthetische Herstellung von Kraft- und Brennstoffen ermöglichen

Treibhausgasneutrale auf Ökostrom basierende Kraft- und Brennstoffe, sog. E-Fuels, können dazu beitragen, den CO2-Ausstoß im Bereich Wärme und Verkehr zu verringern. Sie können ohne größere Umstellung in der Bestandsflotte eingesetzt werden, nicht nur bei Neuwagen. Die bestehende Tank- und Verteilinfrastruktur kann weiter genutzt werden. In effizienten Heizanlagen können E-Fuels signifikante CO2-Reduktionen im Gebäudesektor erreichen. Im Luftverkehr sind E-Fuels aktuell der einzige Weg zur Treibhausgasneutralität. Bundestag und Bundesregierung müssen diesen synthetischen Energieträgern Marktchancen lassen – statt einseitig auf weitgehende Elektrifizierung zu setzen. Verbraucher sollten selbst entscheiden, wo und wie sie CO2 einsparen.

23.6 Wasserstoff: Potenziale nutzen

Wasserstoff ist ein vielseitig einsetzbarer Energieträger mit dem Potenzial, einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion in Industrie, Verkehr und der Wärmeversorgung zu leisten. Dafür muss Wasserstoff in ausreichendem Umfang und zu wirtschaftlichen Bedingungen erzeugt bzw. importiert und genutzt werden können. In Deutschland werden die Kapazitäten, um Wasserstoff treibhausgasneutral herzustellen, auf absehbare Zeit nicht ausreichen. Flankierende Maßnahmen, die den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur beschleunigen, sollten eingebettet werden in einen Energie-Mix, der allen zukünftigen Energieträgern gleiche Marktchancen lässt. Einzelne Energieträger sollten weder zulasten noch zugunsten anderer Energieträger gefördert oder diskriminiert werden. Denn das klimapolitische Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, wird allein durch einen sinkenden CO2-Deckel erreicht.