Zu Beginn des Wahljahres 2021 hat die deutsche Wirtschaft ein schreckliches Rezessionsjahr hinter Sicht. In vielen Branchen ist völlig unklar, ob und wann der Aufschwung beginnt und wie lange der Aufholprozess dauern wird. Besonders dramatisch war und ist die Lage in einigen Dienstleistungsbranchen, deren Geschäftstätigkeiten von Staat und Kommunen weiterhin wegen Corona eingeschränkt oder sogar untersagt sind, wie zum Beispiel in der Reise-, Veranstaltungs- und Freizeitwirtschaft, in der Hotellerie und Gastronomie sowie im Einzelhandel.
Neben Corona belastet ein Mix aus konjunkturellem Abschwung, Strukturwandel und global ansteigendem Protektionismus unsere Wirtschaft. In der Industrie und in vielen Dienstleistungsbereichen ist es vor allem der technologische und digitale Wandel, der Produkte und Produktionsverfahren sowie angebotene Dienste verändert. Eine von Wettbewerbsprozessen angetriebene permanente Transformation der Märkte gehört zum Alltag der Unternehmen. Für sie ist Wandel und nicht Stabilität die Norm.
Auch die Politik in Berlin muss sich entlang dieser wirtschaftlichen Realitäten neu ausrichten: An erster Stelle muss ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft stehen, das zusätzliche Belastungen ausschließt und für eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung bestehender Belastungen sorgt. An zweiter Stelle kommt die Forderung nach Abbau unnötiger Belastungen. Dazu zählen eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Investitionen, wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, mehr Akzeptanz und größere Freiräume für neue Technologien, insbesondere in der Industrie, sowie eine sichere Energieversorgung ohne staatliche Verteuerung des Stroms.
Das von der Bundesregierung geplante neue Unternehmensstrafrecht ist überflüssig. Ein neues Sanktionsregime zwischen Ordnungswidrigkeitenrecht und Strafrecht würde Teile der Wirtschaft und auch die Staatsanwaltschaften unnötig bürokratisch belasten. Das bisherige Sanktionsregime funktioniert: Es sieht hohe Geldbußen sowie die Möglichkeit der Gewinnabschöpfung vor. Die Aufklärungsquote bei Wirtschaftskriminalität ist relativ hoch.
Das Eintreten für die Wahrung der Menschenrechte in den Lieferketten ist richtig. Neben dem Staat, der in erster Linie zuständig ist („protect”), tragen selbstverständlich auch die global tätigen Unternehmen Verantwortung für ihre Lieferketten („respect”). Die Unternehmen dürfen aber nicht mit unrealistischen Erwartungen überfordert werden. Nationale Alleingänge sind nicht sinnvoll, denn unterschiedliche nationale Regelungen widersprechen dem gemeinsamen Ziel einer globalen Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette. Ziel muss es sein, einheitliche globale oder zumindest europaweite Standards zu schaffen. Neue Regelungen zur Wahrung der Menschenrechte müssen gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet werden.
Bürokratie trifft alle Unternehmen, besonders kleine Betriebe sowie Existenzgründungen. Der Bund muss wirksamere Bürokratieabbaumechanismen institutionalisieren und den Normenkontrollrat stärken. Ehrgeizige Bürokratieabbauziele, wie das Bündeln von Genehmigungen in Behörden durch „Key-Accounter“ für Unternehmer, sind umzusetzen.
Der Bund muss den finanziellen Rahmen für junge Start-Up-Unternehmen weiter verbessern. Nicht nur kleine Unternehmen, sondern auch kapitalintensive, hochwertige Fertigungen mit größerem Kapitalbedarf sollten unterstützt werden, auch in der sog. 2. Finanzierungsphase.
Das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden in einer mitbestimmungspflichtigen Aktiengesellschaft muss erhalten werden, damit im Aufsichtsrat eine Pattsituation vermieden wird und die Seite der Eigentümer weiter die Mehrheit im Aufsichtsgremium und die letztliche Gestaltungsmöglichkeit behält.