Mehr Investitionen und Innovationen am Heimatstandort

Erwartungen der hessischen Wirtschaft an die Politik nach der Bundestagswahl 2021

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Steuern

5 Unter­nehmenssteuern senken

5.1 Steuerpolitik ist Standortpolitik

Die Höhe der effektiven steuerlichen Gesamtbelastung aller Unter­nehmen liegt in Deutschland bei über 30 Prozent. EU-weit liegt die Belastung hingegen nur knapp unter 22 Prozent. Oft macht allein die Gewerbesteuer die Hälfte der Belastung aus. Beispielsweise beträgt die effektive Gesamtbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland knapp 30 Prozent, während die Niederlande, Österreich und Spanien nur 25 Prozent verlangen und Polen, Tschechien, Slowenien und das Vereinigte Königreich nur 19 Prozent.

Berücksichtigt man neben den Steuern auf die Gewinne von Kapitalgesellschaften zusätzlich die Besteuerung der Anteilseigner bei der Gewinnausschüttung, trübt sich die steuerliche Attraktivität Deutschlands aus Sicht der Investoren weiter ein: Bei Vollausschüttung beträgt die maximale Besteuerung (nominal) auf Unter­nehmens- und Anteilseignerebene 48,4 Prozent, während das Vereinigte Königreich 40,9 Prozent und Tschechien nur 31,2 Prozent verlangen.

Für Personengesellschaften relevant ist u.a. die Einkommensteuer. Im internationalen Vergleich der maximalen Einkommensteuerspitzensätze der jeweiligen Zentralstaaten und Gebietskörperschaften liegt Deutschland mit 47,5 Prozent im oberen Mittelfeld. Allerdings gibt es auch günstigere Nachbarn: Polen verlangt 36 Prozent, Tschechien 22 Prozent.

Seit der Reform 2008 gab es keine zählbaren Entlastungen für Unter­nehmen oder materiellrechtlichen Verbesserungen mehr. Deutschland muss sich dringend dem Steuerwettbewerb stellen und die Unter­nehmenssteuern senken. Neue oder höhere Steuern sind strikt abzulehnen, insbesondere eine Vermögensteuer.

5.2 Nominale Steuersätze haben Signalfunktion für Investoren

Neben der effektiven bzw. tatsächlichen Steuerlast, die sich aus den nominalen Steuersätzen und der Bemessungsgrundlage ergibt, kommt auch schon den nominalen Steuersätzen alleine eine Signalfunktion für Investoren zu: Beispielsweise liegt die Körperschaftsteuer, die eine GmbH oder AG für einbehaltene Gewinne zahlen muss, in Deutschland mit 15 Prozent deutlich höher als in der Schweiz (8,5 Prozent) oder in Irland (12,5 Prozent), wobei diese zwei Staaten keine Entlastung ausgeschütteter Gewinne auf der Ebene der Anteilseigner vornehmen. Allerdings verlangen Ungarn und Bulgarien auch nur 9 bzw. 10 Prozent und haben wie Deutschland ein System der Tarifentlastung, um Doppelbelastungen durch die Körperschaftsteuer der Gesellschaft und die Einkommensteuer der Anteilseigner zu verhindern oder abzumildern.

Im Jahr 2019 senkten einige Staaten ihre nominalen Körperschaftsteuersätze, z.B. Frankreich, Griechenland, Japan, Luxemburg, Norwegen und Schweden. In den USA wurde der nationale Körperschaftsteuersatz bereits ab 2018 von 35 auf 21 Prozent gesenkt.

5.3 Unter­nehmenssteuern zumindest auf 25 Prozent senken

Bund und Länder sollten die effektive Gesamtsteuerbelastung der Unter­nehmen zumindest auf 25 Prozent senken. Hier muss der nächste Bundestag rasch die Initiative ergreifen. Dazu gehört unter anderem, den Solidaritätszuschlag verfassungskonform komplett abzuschaffen, so dass alle juristischen und natürlichen Personen voll entlastet werden. Seit dem 01.01.2021 zahlen die Unter­nehmen mit rund 60 Prozent des Soli-Aufkommens den größten Anteil. Dies gehört umgehend geändert. Ferner sollte die Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer verbessert und eine Teilanrechnung bei der Körperschaftsteuer eingeführt werden. Nötig ist zudem der Abbau der ertragsunabhängigen Hinzurechnung von Zinsen, Mieten, Pachten, Lizenzen und Leasingraten bei der Gewerbesteuer. Die Verzinsung von Steuernachzahlungen muss an das Niedrigzinsumfeld angepasst und der Zinssatz zur steuerlichen Bewertung von Betriebsrentenverpflichtungen entsprechend reduziert werden.

5.4 Strukturen der Besteuerung modernisieren

Neben der Entlastung muss der Bundestag Steuerstrukturreformen beschließen. Die Benachteiligung von Investitionen deutscher Unter­nehmen im Ausland ist durch eine Reform des Außensteuergesetzes zu beseitigen, einschließlich einer Absenkung der Niedrigsteuersatzgrenze auf 15 Prozent. Einbehaltene Gewinne von Personengesellschaften sollten praxisgerecht besteuert werden, und es sollte eine Option zu einer Besteuerung als Kapitalgesellschaft einführt werden. Für Kapitalgesellschaften sollten steuerliche Hürden im Körperschafts- und Umwandlungssteuerrecht abgebaut und notwendige Umstrukturierungen erleichtert werden. Auch die Einfuhrumsatzsteuer muss novelliert werden: Das Erhebungs- und Erstattungsverfahren stellt eine Wettbewerbshürde für deutsche Industrie- und Handelsunternehmen dar. Der Bundestag sollte eine Verrechnungslösung etablieren.

5.5 Innovationen und Investitionen gezielt anreizen

Der Bundestag sollte die Forschungszulage ausbauen und für den Mittelstand vorteilhafter ausgestalten. Zudem sollten Abschreibungsbedingungen verbessert werden, insbesondere für digitale Investitionsgüter.

5.6 EU: Digitalsteuer und Finanztransaktionsteuer verhindern

Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass in der der EU weder eine Digitalsteuer noch eine Finanztransaktionsteuer eingeführt werden. In Verhandlungen zu Vereinbarungen zur weltweiten Neuverteilung der Besteuerung von Unter­nehmensgewinnen und einer Mindestbesteuerung muss die Bundesregierung darauf achten, dass für deutsche Unter­nehmen keine Doppelbesteuerung von Gewinnen oder zusätzlicher hoher Compliance-Aufwand entstehen sowie dass kein deutsches Steuersubstrat ins Ausland abwandert.