9. VhU-Sozialforum

Roland Walter: Mehr Transparenz und wirksame Kontrollen gegen Sozialleistungsmissbrauch / Land, Kommunen und Sozialbehörden gefordert

Frankfurt am Main. „Durch Sozialleistungsmissbrauch werden jedes Jahr hohe Milliardenbeträge zweckentfremdet und dem Sozialsystem entzogen. Allein im Gesundheitsbereich gehen Schätzungen von 20 Milliarden Euro aus. Könnten wir Missbrauch verhindern, würde der Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf die wichtige Marke von unter 40 Prozent sinken. Der Sozialbereich hat insgesamt eine Größenordnung von einer Billion Euro jährlich erreicht. Wir fordern von Jobcentern, Kommunen und Sozialleistungsträgern mehr Transparenz und wirksame Kontrollen, von der Landesregierung ein Konzept zur Missbrauchsbekämpfung und vom Gesetzgeber die Aufhebung von Datenschutzvorschriften, die Täter schützen“, erklärte Roland Walter, geschäftsführender Gesellschafter der Walter Verpackungen GmbH, Offenbach, und VhU-Präsidiumsmitglied.

Die übergroße Mehrheit verhalte sich rechtmäßig – also Leistungserbringer wie etwa Ärzte und Apotheker, Pflegedienste und Sanitätshäuser, Betreiber von Kindergärten, Heimen und Beratungsstellen auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite die Bezieher dieser Leistungen, also etwa Patienten, Pflegebedürftige und deren Familienangehörigen. „Man kann und soll nicht von schwarzen Schafen auf die Allgemeinheit schließen. Und wir tun dies auch nicht. Aber gerade für die große rechtstreue Mehrheit sowie die Steuer- und Beitragszahler ist es wichtig, dass der Missbrauch von Sozialleistungen durch eine kleine Minderheit wirksam bekämpft wird“, so Walter.

„Wer von seinem Einkommen einen hohen Anteil für die Finanzierung von Sozialleistungen aufbringt, will nicht, dass hiervon erhebliche Summen in dunkle Kanäle und tiefe Taschen fließen. Sozialleistungsmissbrauch beschädigt die Akzeptanz unseres Sozialsystems und muss auch deshalb konsequent verfolgt werden. Die im Jahr 2019 bekannt gewordenen Skandale bei der AWO Frankfurt, der AWO Wiesbaden und der AWO Hessen-Süd machen deutlich, dass es im Milliardengeschäft um Sozialleistungen bei der Kontrolle noch zu amateurhaft zugeht“, so Walter abschließend.

Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU, Landtagsabgeordneter und Mitglied im sozial- und integrationspolitischen Ausschuss): „Die Gelder der Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Sozialversicherung müssen treuhänderisch und sorgfältig verwaltet werden. Im Gesundheitswesen wird die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und des elektronischen Rezepts den Missbrauch deutlich einschränken. Wir müssen immer darauf achten, dass wir durch verstärkte Kontrollmaßnahmen die Menschen nicht unter Generalverdacht stellen und keine bürokratischen Hürden für die Leistungserbringer aufbauen.“

„Grundsätzlich liegt es im Interesse des Staates, Leistungsmissbrauch zu bekämpfen und es würde wohl kaum jemand der VhU hierbei widersprechen. Allerdings zeichnet das Positionspapier ein falsches Bild unseres Sozialstaats“, so Elke Barth, SPD-Landtagsabgeordnete und Mitglied des Wirtschaftsausschusses. „Leistungen unseres Sozialstaats sind soziale Rechte, die unseren Bürgerinnen und Bürgern zustehen. Sie sind Inhaber dieser Rechte und keine Bittsteller. Auch bedarf es zur Bekämpfung von Sozialmissbrauch eines ganzheitlichen Ansatzes, der neben den Empfängern von Sozialleistungen insbesondere auch die Arbeitgeberseite mit einbezieht. Denn auch in diversen Zweigen der Wirtschaft wird bekanntermaßen durch illegale Praktiken der Wettbewerb verzerrt und Steuern und Sozialabgaben hinterzogen.“

Yanki Pürsün (FDP, Landtagsabgeordneter und Mitglied im sozial- und integrationspolitischen Ausschuss): „Die AWO-Skandale sowie der Missbrauch von Zuwendungen und Sozialleistungen während der Corona-Pandemie haben Schwachstellen bei der Kontrolle durch das Land offengelegt. Diese Vorfälle haben zu einem Vertrauensverlust von Bürgerinnen und Bürgern in das Sozialsystem geführt. Nun gilt es, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Der Missbrauch von Zuwendungen und Sozialleistungen muss Konsequenzen nach sich ziehen – sowohl für die Einrichtungen als auch für die staatlichen Geldgeber.“

Impulse aus der Praxis kamen von Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs, und Ingo Wünsch, Direktor des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen. Anschließend diskutierten die Mitglieder des hessischen Landtags Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU), Elke Barth (SPD), Marcus Bocklet (Bündnis 90/Die Grünen) und Yanki Pürsün (FDP) in einer Podiumsdiskussion die Frage, wie unser Sozialstaat besser gegen Fehlverhalten geschützt werden kann.

VhU-Positionspapier
Anlässlich des Sozialforums veröffentlichte die VhU das Positionspapier  „Fehlverhalten im Sozialwesen effektiver bekämpfen – Steuer- und Beitragszahler vor Leistungsmissbrauch schützen“, das Ihnen hier zum Download zur Verfügung steht.

Weiterführende Informationen:   Fallbeispiele zum VhU-Positionspapier „Fehlverhalten im Sozialwesen effektiver bekämpfen – Steuer- und Beitragszahler vor Leistungsmissbrauch schützen“, 12.07.2023.

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Ansprechpartner
Stefan Hoehl

Dr. Stefan Hoehl
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik