Finanzierung der Sozialversicherung

Pollert: Gesamtsozialversicherungsbeitrag über 40 Prozent gefährdet heimischen Standort / Nur ausgabensenkende Reformen können nachhaltig helfen

Frankfurt am Main. „Niemand darf sich in der trügerischen Sicherheit wiegen, dass die immer weiter steigende Beitragslast für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohne Schaden für den heimischen Standort bleibt. Vor allem ist die im Vergleich zu vor 20 Jahren relativ niedrige Arbeitslosigkeit hierfür kein beruhigendes Zeichen. Denn Arbeitskräfte werden zwar in nahezu allen Branchen und Regionen händeringend gesucht. Aber hohe Lohnzusatzkosten vertreiben schleichend gerade hochproduktive Arbeitsplätze, etwa in der Industrie, die mit ihren Produkten im internationalen Wettbewerb bestehen muss. Wir alle werden ärmer, wenn diese Arbeit immer weniger in Hessen und Deutschland stattfindet. Deshalb müssen Bundesregierung und Bundestag nach vielen Jahren der Reformverweigerung endlich ausgabesenkende Strukturreformen für die Sozialversicherung auf den Weg bringen“, erklärte Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände.

Akuten Reformbedarf gibt es in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. „Die teure und generationenungerechte abschlagfreie Frührente mit 65 und früher gehört sofort gestoppt. Sie lockt dringend benötigte Fachkräfte aus dem Arbeitsmarkt und bürdet die Kosten hierfür den wenigen Jungen auf. Eine Frührente ist weiterhin möglich, allerdings unter Abschlägen, die spürbar angehoben werden müssen, um Frührentnern keinen Vorteil zu Lasten derjenigen zu geben, die regulär in Rente gehen. Wer dagegen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, erhält Erwerbsminderungsrente. Übrigens hat sich die Zahl der älteren Beschäftigten über 60 in den letzten 20 Jahren hessenweit auf rund 250.000 fast vervierfacht. Das beweist, dass Arbeitgeber für geeignete und gesunde Arbeitsplätze auch für Ältere sorgen“, so Pollert.

„Im Gesundheitsbereich muss die aktuell zwischen Bund und Ländern verhandelte Krankenhausreform zu einem Erfolg werden. Die Länder, einschließlich Hessen, müssen ihre Blockadehaltung aufgeben. Diesmal hilft allein mehr Geld vom Bund oder den Krankenkassen nicht. Denn es fehlt landauf landab schon heute an Ärzten und Pflegern. Schwierige Operationen müssen deshalb in spezialisierten Häusern durchgeführt und gleichzeitig die Grundversorgung vor Ort zuverlässig gewährleistet werden. Deutschland hat eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt bei nur mäßiger Qualität, gut abzulesen an der vergleichsweise niedrigen Lebenserwartung. Ich appelliere an die hessischen Gesundheitspolitiker in Landesregierung, Land- und Bundestag, die Krankenhausstrukturen nicht zu konservieren, sondern endlich zukunftsfest aufzustellen“, sagte Pollert abschließend.

Weiterführende Informationen:
Die Beiträge zu Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sind erstmals nach vielen Jahren Anfang 2023 wieder über 40 Prozent geklettert. Schon zum 1. Juli 2023 steigen sie nochmals durch einen höheren Pflegeversicherungsbeitrag. Weitere Steigerungen drohen dann zum 1. Januar 2024 in der Krankenversicherung. Dann ist die bisherige Höchstmarke von 42 Prozent erreicht. Dabei hat Deutschland im internationalen Vergleich schon heute eine der höchsten Abgabebelastungen auf den Faktor Arbeit. 

Zurück zur Übersicht
Ansprechpartner
Stefan Hoehl

Dr. Stefan Hoehl
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik