Haushaltspolitik nach Landtagswahl 2023

Mang: „Politikwechsel hin zu solideren Landesfinanzen! Vorrang für Schuldenabbau und Risikovorsorge. Mehrjährige Ausgabenbremse leider nötig. Danach Fokus auf Verwaltungsdigitalisierung und Bildung.“

Frankfurt am Main. Einen Politikwechsel hin zu solideren Landesfinanzen ohne weitere Verschiebung von Lasten auf künftige Generationen fordert die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) in einem 100-seitigen Positionspapier zur Politik in der kommenden Legislaturperiode ab 2024. Dazu hat der Dachverband der hessischen Wirtschaft eine Rangfolge für die Landespolitik vorgestellt. Bevor der Landtag neue Ausgaben beschließe, müsse er mehr Vorsorge für künftige finanzielle Lasten treffen. Als Priorität nannte die VhU eine schnellere Tilgung der Corona-Schulden, einen gesetzlichen Tilgungsplan für die allgemeinen Schulden, höhere Rücklagen für künftige Pensionslasten und den besseren Erhalt des öffentlichen Sachvermögens durch Investitionen in Höhe der Abschreibungen.

Hessens Landesschulden betrugen über 52 Mrd. Euro Ende 2020. Darin waren 2,7 Mrd. Euro Corona-Schulden und ein Schattenhaushalt bei der WI-Bank in Höhe von 6,7 Mrd. Euro. „Das ist Ergebnis von leider nicht ausreichenden Sparanstrengungen und Tilgungen in den vielen guten Jahren. Und nicht Folge von Corona oder anderer Krisen“, sagte VhU-Präsident Wolf Matthias Mang. Hinzu kommen Rückstellungen für Verpflichtungen für Pensionen und Beihilfen von Beamten in Höhe von 96 Mrd. Euro, denen nur 4 Mrd. Euro an vorhandenen Rücklagen gegenüberstehen   (zum heutigen Statement von VhU-Präsident Wolf Matthias Mang  als pdf-Datei zum download).

Vorsorge für künftige Etatrisiken hat Vorrang vor allen anderen Wünschen

Um für die Konsolidierung des Etats und für spätere neue Aufgaben die nötigen Etatspielräume zu schaffen, müsse das Land zum einen konsequenter als bisher auf Wachstumspolitik setzen, damit das Steueraufkommen steige, sagte Mang. Zum anderen sei eine mehrjährige Ausgabenbremse für alle Ausgaben inklusive der Personalausgaben leider nötig. „Der Haushalt 2023 muss eingefroren werden, damit in den Folgejahren mindestens 1 Milliarde Euro im Haushalt erwirtschaftet wird. Das erfordert, alle Aufgaben und Ausgaben auf dem Prüfstand zu stellen. Ein Teil der konsumtiven Ausgaben, inklusive einiger Sozialtransfers und Subventionen, wird vorerst nicht mehr finanzierbar sein. Auch freiwerdende Stellen, leider auch von Lehrern und Polizisten, werden eine Zeit lang nicht wieder zu besetzen sein, um die Personalausgaben insgesamt zu deckeln.“ Zumal Gehaltssteigerungen bei den unteren Besoldungsstufen der Beamten nach den Vorlagebeschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zum Bundesverfassungsgericht eventuell rechtlich erforderlich würden.“

Jahrzehnt des Verzichts

Mang: „Die bittere Wahrheit lautet: Hessen hat mit 52 Mrd. Euro – wie fast alle Länder – zu viele Schulden. Die Sanierung der Landesfinanzen ist erforderlich, damit unser Gemeinwesen handlungsfähig bleibt. Wir stehen vor einem Jahrzehnt des Verzichts! Nur mit Steuermehreinnahmen durch Wirtschaftswachstum wird es nicht gehen. Alle müssen den Gürtel enger schnallen. Für viele wünschenswerte Ausgaben wird auf Jahre kein Geld da sein. Und auch Steuersatz-Anhebungen in Bund und Ländern sind keine Lösung, im Gegenteil. Denn dann investieren die Unter­nehmen weniger und viele Menschen arbeiten weniger und das Steueraufkommen sinkt.“

Mehrausgaben für Verwaltungsdigitalisierung und Bildung, wenn neues Geld da ist

Erst wenn die finanzielle Nachhaltigkeit des Landeshaushalts wieder erreicht sei und wenn neue Etatspielräume entstanden seien, solle laut VhU das Land zusätzliche Ausgaben tätigen, aber ausschließlich in zwei Schwerpunkten: In die digitale Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen sowie in mehr Investitionen in Bildungs-, Hochschul- und Forschungseinrichtungen. Mang: „Für diese Bereiche gibt das Land derzeit zurecht schon viele Milliarden aus. Neues Geld wird aber leider frühestens 2026 verfügbar sein.“

Wirtschaft stellt ihre Wünsche hinten an

Erst danach soll die Landespolitik, wenn weitere neue Spielräume dank Steuermehreinnahmen entstanden sind, die Ausgaben zur Verbesserung der Attraktivität des Wirtschafts­standorts Hessen steigern. Dazu nannte Mang zusätzliche Mittel für den Breitbandausbau, für die schrittweise Verdopplung der Bus- und Bahnangebote im ÖPNV, finanzielle Anreize für Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten, damit sie mehr neue Wohnbauflächen ausweisen, sowie für den Ausbau des Straßen- und Schienennetzes in Hessen. Auch die Senkung der direkten Steuern und insbesondere der Unter­nehmenssteuern auf Bundesebene, die auch den Landeshaushalt belasten werde, gehöre dazu. Mang: „Wir stellen unsere Wünsche hinten an.“

Schuldenbremse nicht lockern und nicht umgehen!

Mang forderte, an der Schuldenbremse strikt fest zu halten und sie nicht länger zu umgehen, wie etwa durch den 6,7 Milliarden Euro Schattenhaushalt der WI-Bank zur Entschuldung der Kommunen. „Schulden machen ist keine Staatskunst. Der neue Trend auf Ebene des Bundes und der EU, mit neuen Schulden alle kurzfristigen Herausforderungen zu finanzieren, ist brandgefährlich. Wer soll das bezahlen in einer alternden Gesellschaft? Da darf Hessen nicht mitmachen. Und ich rufe SPD und Grüne auf, die Pläne ihrer Bundesparteien, die Schuldenbremse zu lockern, bei uns nicht zu verfolgen“, sagte Mang.

Viele gute Gründe für solide Landesfinanzen

Die Sanierung der Landesfinanzen sei nicht allein ein Gebot der Generationengerechtigkeit, sondern liege auch im Interesse der heutigen Bürger und Unter­nehmen, sagte Mang: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die meisten der heute lebenden Menschen müssen die in die Zukunft verschobenen Lasten in den nächsten zwei oder drei Jahrzehnten ja mittragen.“ Zudem sei ein Wirtschafts­standort stärker und attraktiver, wenn die öffentlichen Finanzen solide sind. Denn alle wüssten, dass die Schulden von heute die Steuererhöhungen von morgen sind. „Wo der Staat solide haushaltet, investieren die Privaten mehr und sorgen so für mehr Jobs und für ein höheres Steueraufkommen.“ Und schließlich seien solide Landesfinanzen erforderlich, um Vorsorge für Wirtschaftskrisen zu treffen, die leider alle 10 Jahre aufträten und eine hohe kurzfristige Neuverschuldung erfordern könnten.

Unbezahlbare Wahlversprechen sind „out“

Mang: „Ich nehme wahr, dass sich die Stimmung und die politische Kultur verändern: Weg vom Populismus mit unbezahlbaren Wahlversprechen und hin zu mehr Seriosität und mehr Bereitschaft, gesamtgesellschaftliche Erfordernisse zu akzeptieren. Immer mehr Bürger erkennen, dass die Zwanziger Jahre ein Jahrzehnt des Verzichts sein müssen, wenn wir unser Gemeinwesen stabil und unsere Unter­nehmen wirtschaftlich erfolgreich halten wollen. Hessen braucht Politiker, die das vor der Wahl sagen.“
 

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Ansprechpartner
Clemens Christmann

Dr. Clemens Christmann
Wirtschafts- und Umweltpolitik