Schwerbehinderte Menschen

Pollert: Kein Förderprogramm aus Zwangsabgabe der Arbeitgeber ins Blaue hinein / Einstellungs-Prämien fördern Mitnahmeeffekte – besonders im Nachhinein!

Frankfurt am Main. „Ob das Hessische Programm für bessere Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen tatsächlich einen Beitrag für mehr Schwerbehinderten-Beschäftigung leistet, ist auch rund zehn Jahre nach seiner Erstauflage völlig unbekannt. Wir fordern deshalb seit Jahren, das Programm endlich wissenschaftlich auf seine Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu überprü-fen. Denn Mittel aus der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe der Arbeitgeber dürfen nur für sinnvolle Förderprogramme eingesetzt werden. Dies gilt umso mehr, als die Programm-Ausgaben mit der Neuauflage 2024 um bis zu 70 Prozent auf dann bis zu 10 Millionen Euro jährlich steigen sollen“, erklärte Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessi-schen Unternehmerverbände e.V. (VhU).

Pollert weiter: „Das Förderprogramm setzt jedenfalls mit seinem Schwerpunkt bei Einstel-lungs-Prämien auf das völlig falsche Pferd. Kein Arbeitgeber wird eine dauerhafte Personal-entscheidung davon abhängig machen, dass er dafür zu Beginn einige tausend Euro Prämie erhält. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bewerber persönlich und fachlich zum Arbeitsplatz und zum Betrieb passt – wenn nötig mit dauerhaften Unterstützungsleistungen. Völlig abstrus wird es, wenn der Arbeitgeber die Einstellungs-Prämie, wie in der Programm-Neuauflage vor-gesehen, sogar noch bis zu sechs Monate nach Einstellung beantragen kann. Durch die Aus-reichung von Geldprämien an Arbeitgeber drohten Mitnahmeeffekte ohne jede Beschäfti-gungswirkung.“
Pollert erklärte, dass viele Arbeitgeber gerne Menschen mit Behinderung beschäftigen wür-den, aber gar nicht wüssten, welche breite Palette von geeigneten und sinnvollen Förder- und Hilfsmöglichkeiten es bereits gebe. „Die möglichen Leistungen reichen von Seh- und Hörhilfen über die Gestaltung barrierefreier Zugänge bis zum umgebauten Fahrzeug. Diese Unterstüt-zungsleistungen werden jedoch von ganz verschiedenen Akteuren erbracht, wie Krankenkas-sen, Renten- und Unfallversicherungsträgern, Arbeitsagenturen oder Integrationsämtern. Un-terstützung und Beratung im Förderdschungel der Schwerbehindertenbeschäftigung sind des-halb wertvoller als Prämien“, sagte Pollert.

Hintergrund:
Die Zahl der bei hessischen Arbeitgebern beschäftigten schwerbehinderten Menschen stieg von rund 100.000 im Jahr 2011 auf über 120.000 im Jahr 2021. Hiervon sind über 80.000 bei privaten Arbeitgebern beschäftigt. Die Arbeitgeber zahlen für rund 23.000 nicht mit Schwerbehinderten besetzten Arbeitsplätze rund 68 Mio. Euro Ausgleichsabgabe, obwohl es nur rund 11.000 schwerbehinderte Arbeitslose gibt.

Weiterführende Informationen:  VhU-Stellungnahme v. 10.10.2023

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Ansprechpartner
Stefan Hoehl

Dr. Stefan Hoehl
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik