VhU-Präsident Wolf Mang warnt vor einem kurzfristigen Erdgas-Embargo

Statement des VhU-Präsidenten zu möglichem Erdgas-Embargo

Für die abscheulichen Gräueltaten in Butscha und anderen Orten der Ukraine finde ich kaum Worte. Die eskalierende Gewalt und die Zerstörung erschüttern mich bis ins Mark. Mir fehlt jegliche Vorstellungskraft, wie man Menschen solch unendliches Leid zufügen kann.

Die westliche Staatengemeinschaft muss nun mit der gebotenen Härte und Schärfe reagieren. Diese Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben.

Deswegen halte ich es für richtig, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu verstärken und den Import von russischer Kohle einzustellen. Die hessische Wirtschaft steht hinter dem Sanktionskurs der Bundesregierung und ist bereit, ihren Beitrag zu leisten. Auch wenn die Umsetzung nicht einfach ist und ihren Preis hat.

Leider ist die Situation beim Erdgas eine andere. So sehr ich die Rufe nach einem Erdgas-Embargo angesichts dieser abscheulichen Kriegsverbrechen nachvollziehen kann und emotional teile – als Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) ist es meine Aufgabe und meine Pflicht, vor den Konsequenzen eines solchen Schrittes zu warnen.

Wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten in eine Abhängigkeit begeben, die es uns jetzt unmöglich macht, kurzfristig auf Erdgas-Lieferungen aus Russland zu verzichten. Die Folgen wären dramatisch. Mit einem Erdgas-Embargo würden wir uns mehr schaden als dem Aggressor Putin. Das ist die bittere Wahrheit.

Ohne Erdgas stehen nahezu überall in Hessen die Produktionsbänder still: Produkte können nicht mehr hergestellt werden, Maschinen und Material drohen irreparabel Schaden zu nehmen. Die Rückmeldungen aus unseren Mitgliedsverbänden und Unter­nehmen unterstreichen, wie vielschichtig und weitreichend die Auswirkungen für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wären.

Die Bundesregierung handelt richtig und besonnen, indem sie kurz- und mittelfristig an den russischen Erdgas-Lieferungen festhält. Parallel dazu muss alles getan werden, um die Mengen schnellstmöglich durch andere Lieferanten und Energieträger zu ersetzen. Was wäre die Alternative? Wenn wir unsere volkwirtschaftliche Basis aufs Spiel setzen, setzen wir auch unsere Fähigkeit aufs Spiel, militärische und humanitäre Hilfe leisten zu können – während des Krieges, aber auch danach. Nur als wirtschaftlich starker Partner sind wir in der Lage, die Ukraine beim Wiederaufbau zu unterstützen.

Kritiker, die behaupten, der Bundesregierung sei „die Wirtschaft“ wichtiger als Menschenleben in der Ukraine, machen es sich zu einfach. Sowohl die Aussage als auch den Vergleich halte ich für falsch.

Wer oder was ist „die Wirtschaft“? Das ist kein abgekapseltes System frei von Wertvorstellungen. Das sind Unter­nehmen, die tief verwurzelt sind in ihren Regionen, die hochwertige Arbeitsplätze erhalten, Kläranlagen und Sportplätze in den Gemeinden finanzieren, die freiwillige Feuerwehr im Ort unterstützen und deren Beschäftigte nicht zögern, zu helfen, wenn Hilfe gebraucht wird, sei es bei der Flutkatastrophe im Ahrtal oder jetzt in der Ukraine. Die Wirtschaft, das sind wir alle.

Es geht nicht um ein bisschen Wohlstandsverlust, so als wäre das ein Luxusgut, auf das man nur verzichten müsste. Wenn wir in eine Situation gerieten, in der die Erdgasversorgung nicht mehr für alle gewährleistet wäre, dann hätte das „furchtbare Konsequenzen für Unter­nehmen, für Arbeitsplätze, für Wertschöpfungsketten, für Lieferketten, für ganze Regionen.“ So lautet die Warnung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Wir sollten sie ernst nehmen und alles tun, um zu verhindern, dass es dazu jemals kommt.

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