VhU-Statement zur Roten Klimakarte der Parents for Future Darmstadt

Am 16. Juli 2021 haben die Parents for Future Darmstadt der VhU die „Rote Klimakarte für die Bremser beim Klimaschutz“ verliehen. Daraufhin wandte sich Katharina Peter, Leiterin für Energie-, Klima- und Umweltpolitik, mit folgendem Antwortschreiben an die Organisatorinnen und Organisatoren:

Sehr geehrte Parents for Future Darmstadt,

vielen Dank für Ihre Nachricht und ich bitte um Nachsicht, dass ich urlaubsbedingt erst jetzt darauf reagiere.

Gestatten Sie mir vorweg eine persönliche Bemerkung: ich freue mich, dass auf diesem Wege ein erster Austausch zwischen den Parents for Future Darmstadt und der VhU entsteht. Gleichwohl hätte ich mich ungleich mehr gefreut, wenn Sie den Kontakt früher gesucht hätten. Dann hätten sich möglicherweise viele Missverständnisse und leider auch falsche Behauptungen im Vorfeld aus dem Weg räumen lassen.

Denn genau deshalb hadere ich mit der roten Karte, die Sie der VhU in Sachen Klimaschutz ausstellen. Ich selbst bin leidenschaftliche Fußballerin und stehe voll und ganz hinter dem Regelwerk: wer grob foult, verdient die rote Karte und hat auf dem Spielfeld nichts mehr verloren. Aber: die klimapolitischen Überzeugungen der VhU sind alles andere als ein Foulspiel. Im Gegenteil, wir spielen im gleichen Team, nämlich für eine wirksame Reduzierung des weltweiten CO2-Ausstoßes.

Und ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass unsere Forderungen radikaler sind als viele Ihrer Vorschläge. Denn wir wollen Klimaschutz nicht dem individuellen Verhalten einzelner überlassen, sondern wir wollen Klimaschutz im Rahmen verankern.

Wir wollen Klimaschutz zur Regel machen, nicht zur Option.

Und zwar mit einer Mengensteuerung, die den maximalen Ausstoß von CO2 in allen Sektoren verbindlich und im Einklang mit den geltenden Klimazielen absenkt. Das ist das Gegenteil von Bremsen und Ablenken.

Sie kritisieren, dass der Wärmesektor bislang seine Klimaziele verfehlt hat. Das sieht auch die VhU kritisch - und fordert deshalb schon seit 2016 (!) ein Klimaschutzinstrument für Wärme und Verkehr, das die Reduktion des CO2-Ausstoßes nicht nur "anreizt", sondern sogar zur Reduktion zwingt. Das ist in einem Emissionshandel mit sinkender Zertifikatmenge ("CO2-Deckel") der Fall.

Dieser Zusatz der sinkenden Zertifikatmenge ist entscheidend. Insofern ist es leider nicht ganz richtig, wenn Sie schreiben, dass die VhU für ein reines Zertifikathandelssystem sei. Die VhU hält den europäischen Emissionshandel für Stromerzeugung, Industrie und innereuropäische Luftfahrt für das wirksamste Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. Aber nicht wegen der kostenlose Zertifikate für einige Branchen, wie in Ihrer Begründung fälschlicherweise insinuiert wird. Sondern weil die Menge an Zertifikaten gedeckelt ist und von Jahr zu Jahr abgesenkt wird. Damit garantiert das System, dass der Ausstoß in diesen Bereichen sinkt.

Das Prinzip ist so einfach wie wirksam: CO2 ausstoßen darf nur, wer ein entsprechendes Zertifikat besitzt. Und da ist dank des sinkenden CO2-Deckels Erfindergeist gefragt, denn es gibt von Jahr zu Jahr weniger CO2-Zertifikate. Entsprechend nimmt auch der Ausstoß von CO2 von Jahr zu Jahr ab. Und das übrigens unabhängig davon, wie viel ein Zertifikat kostet bzw. ob man das Zertifikat kostenlos bekommt. Die Menge an Zertifikaten wird insgesamt weniger und sinkt im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität gen Null.

Ein solches System mit sinkendem CO2-Deckel braucht es endlich auch für die Bereiche Wärme und Verkehr, damit auch hier die Emissionen dank der sinkenden Zertifikatmenge verbindlich und zielsicher sinken. DAS ist der entscheidende Baustein zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor, nicht die Frage, wer die CO2-Kosten beim Heizöl trägt. Insofern hätte ich mich gefreut, wenn Sie sich bei Ihrer Bewertung nicht nur eine einzelne Pressemitteilung aus dem Bereich Bauen und Wohnen ausgesucht hätten (deren Fokus noch dazu auf dem Aspekt Wohnungsbau liegt), sondern auf die vielen Pressemitteilungen und Positionen der VhU, in der immer wieder für eine ökologisch wirksame Deckelung des CO2-Ausstoßes im Bereich Gebäude plädiert wurde und wird. Zuletzt etwa mit der Pressemitteilung VhU zum Klimaschutzgesetz und mit der Pressemitteilung Neuer EU-Emissionshandel für Wärme und Verkehr.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch kurz auf Ihre Kritik im Kontext des EEG einzugehen. Es geht nicht darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen oder gar zu verhindern. Es ist eine gute Nachricht, dass Ökostromanlagen inzwischen mehr als die Hälfte der Stromerzeugung hierzulande ausmachen.

Es geht vielmehr um die Kosten und den administrativen Aufwand. Und hier sagt die VhU: es geht günstiger!

Der Umbau des Stromversorgungssystems ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Entsprechend sollten die Kosten des Umbaus von der ganzen Gesellschaft getragen werden, nicht nur von den Stromverbrauchern. Eine vollständige Finanzierung des EEG mit Bundesmitteln garantiert eine faire Kostenverteilung und macht bürokratisch aufwendige Ausnahmetatbestände obsolet. Davon profitieren neben den Unter­nehmen und den privaten Haushalten auch die Netzbetreiber und Stromlieferanten. Zudem kann Personal in Behörden wie BAFA und Hauptzollamt anders eingesetzt werden.

ABER: Eine Finanzierung des EEG aus dem Bundeshaushalt bedeutet zunächst nur, dass die Kosten von den Stromverbrauchern auf die Steuerzahler verlagert werden. Jedoch ist das derzeitige Subventionsvolumen für Ökostromanlagen von rund 30 Milliarden Euro weder für Stromverbraucher noch für den Bundeshaushalt dauerhaft zu stemmen. Und: Die Subventionen werden auch gar nicht mehr benötigt, weil es mit dem europäischen Emissionshandel inzwischen ein wirksameres und kostengünstigeres Instrument gibt. Die Verringerung der Zertifikatsmenge im europäischen Emissionshandel bewirkt, dass der CO2-Ausstoß bei der Stromerzeugung kontinuierlich gesenkt wird. Und weniger Zertifikate setzen einen immer größer werdenden Anreiz, auf Lösungen zu setzen, wie Strom mit wenig oder ohne CO2 erzeugt werden kann. Beide Effekte kommen letztlich Ökostromanlagen zu Gute und das alles ohne teure EEG-Förderung.

Die fossile Stromerzeugung aus Kohle, Erdgas, etc. nimmt zwangsläufig ab, je weniger Zertifikate im Emissionshandel zur Verfügung stehen. Der Kohleausstieg, der in Deutschland mühsam – und teuer – ausgehandelt wurde, wäre durch den europäischen Emissionshandel mitunter schneller und definitiv günstiger realisiert worden.

Je weniger CO2-Zertifikate für die Stromerzeugung zur Verfügung stehen, desto größer sind die Wettbewerbsvorteile für Ökostromanlagen. Während den Anbietern fossiler Kraft- und Brennstoffe perspektivisch die Zertifikate und damit die derzeitige Geschäftsgrundlage ausgehen, gewinnen Geschäftsmodelle, mit denen Strom aus regenerativen Quellen erzeugt werden kann, an Bedeutung. Trotzdem werden deutsche Ökostromanlagen weiterhin mit einem Fördervolumen von jährlich knapp 30 Milliarden Euro subventioniert.

Deshalb unsere Position: um die Belastung von Stromkunden bzw. Bundeshaushalt schrittweise zu reduzieren, sollten für neue Ökostromanlagen keine Subventionszusagen mehr gewährt werden. Das Geld kann an anderer Stelle sinnvoller genutzt werden, etwa zur Senkung der Strompreise - das käme sowohl dem Klimaschutz als auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute. Lediglich die bisher zugesagten Einspeisevergütungen müssen aus Gründen der Vertragstreue noch in den kommenden 20 Jahren ausbezahlt werden. Neue Ökostromanlagen müssen sich dem Wettbewerb am Markt stellen und sie können es auch - und das ist eine gute Nachricht. Mit Bremsen und Ablenken hat das nichts zu tun.

Wie Sie an meiner ausführlichen Reaktion sehen können: ich hätte mich über einen vertieften Austausch zu unseren Positionen und Überzeugungen gefreut anstatt vorschnell - und wie ich finde auch vollkommen zu Unrecht - die rote Karte zu zücken.

Das ist schade, denn uns verbindet mehr als uns trennt. Wir sind uns einig im Ziel. CO2 muss runter und zwar so schnell und so verbindlich wie möglich.

Lassen Sie uns gerne über das Wie streiten, denn von diesem Ringen um die beste Lösung kann das Klima nur profitieren. Aber umgekehrt nützt es dem Klima wenig, wenn wir uns in überholten Grabenkämpfen festbeißen und gegenseitig rote Karten verteilen. Wenn wir uns gegenseitig des Foulspiels bezichtigen und Platzverweise erteilen, dann ist irgendwann niemand mehr auf dem Feld, um für einen möglichst wirksamen und kostengünstigen Klimaschutz zu kämpfen. Und ehrlich gesagt ist die Herausforderung zu gewaltig und zu dringlich als dass wir es uns leisten könnten, die Akteure auf dem Spielfeld zu minimieren.

Unser Angebot, unsere Lösung, um das Ziel der CO2-Reduktion zu erreichen, ist eine verbindliche Mengensteuerung mit sinkendem CO2-Deckel. Weil wir von der zielgenauen ökologischen Wirkung überzeugt sind. Und weil wir es unterm Strich – mit allem Für und Wider – für die kostengünstigste Variante halten. Für Unter­nehmen wie für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Gerne stehe ich Ihnen für einen weiteren Austausch, gerne auch im persönlichen Gespräch, zur Verfügung.

Freundliche Grüße nach Darmstadt

Katharina Peter

VhU
Leiterin Energie-, Umwelt- und Klimapolitik

Mehr dazu:  Rote Klimakarte für die VhU

Zurück zur Übersicht
Ansprechpartner
Katharina Peter

Katharina Peter
Leiterin Energie-, Umwelt- und
Klimapolitik