VhU-Verkehrsforum zu Umweltzonen und ,blauer Plakette`

Dr. Knake: „Hexenjagd auf Diesel beenden! Verkehr verflüssigen statt verbieten!“ Dorn: „Einführung blaue Plakette mit fairen Übergangsregelungen ab 2020 möglich.“ Rentsch: „Auf innovative Technik setzen statt auf blaue Plakette und Fahrverbote.“

Frankfurt/Main. Die VhU warnt vor einer Hexenjagd auf Dieselmotoren und appelliert an die Politik, sich lieber auf Verkehrsverflüssigung und technische Lösungen zur Verringerung von Schadstoffemissionen zu konzentrieren. „Die ‚blaue Plakette‘ und Fahrverbote in Innenstädten bedeuteten eine inakzeptable Enteignung von Millionen Autofahrern, die sich in bester Absicht für einen langlebigen Motor mit geringem CO-2-Ausstoß entschieden haben. Sie dürfen jetzt nicht die ‚Gelackmeierten‘ werden“, sagte Dr.-Ing. Jochen Knake, Vorsitzender VhU-Verkehrsausschuss und Geschäftsführer des Elektroindustrieunternehmens Nolta GmbH in Cölbe, beim heutigen VhU-Verkehrsforum in Frankfurt.

Auch der Wirtschaft drohten Extralasten: „Betriebe aller Branchen sind wirtschaftlich nicht in der Lage, ihren Fahrzeugpark in kurzer Zeit zu erneuern. Die Liste der Betroffenen reicht von Handwerkern, Baufirmen und Busunternehmen bis zu Handelsvertretern und Pflegediensten. Der Wertverlust für Dieselfahrzeuge, die die Euro-5-Norm erfüllen, wäre beträchtlich. Durch die Einführung der ‚blauen Plakette‘ würde Betriebskapital vernichtet, eine Vermarktung der bisherigen Fahrzeuge erschwert und der Zugang zu städtischen Kunden oft unmöglich. Was wir brauchen ist eine sachliche Debatte über die technischen Möglichkeiten der Automobilindustrie mit Blick auf die Stickoxidbilanz von Dieselmotoren. Die Politik sollte sich verstärkt auf ökologisch wirksamere Maßnahmen konzentrieren, statt auf starre Verbote zu setzen. Ich denke an die Weiterentwicklung alternativer Antriebe, intelligente Verkehrslenkung und den Ausbau der Bus- und Bahnangebote“, so Dr. Knake.

Ulrich Brass, Inhaber von 30 Opelhäusern im Rhein-Main-Gebiet, sagte: „Weder Fahrverbote noch eine blaue Plakette können das Problem hoher NOX-Emissionen lösen. Zielführend wäre es, den Verkehr zu verflüssigen, um ‚stop-and-go-Situationen‘ mit besonders hohen Emissionen zu vermeiden. Und in Zeiten mit Grenzwertüberschreitungen sollten Geschwindigkeitsbegrenzungen erwogen werden. Außerdem muss eine Nachrüstlösung für Fahrzeuge mit Euro-5-Norm vorangebracht werden. Ich hoffe, dass die unsachliche Diskussion um Dieselfahrzeuge bald beendet wird. Auch aus klimapolitischen Gründen, denn ein Dieselauto stößt deutlich weniger CO2 aus als ein Auto mit Benzinmotor.“

Markus Kienle, Logistikleiter von Hassia Mineralquellen in Bad Vilbel, sagte: „Das Naturprodukt Mineralwasser bildet unsere Existenzgrundlage. Im Rahmen unserer letzten Fuhrparkbeschaffung 2014 haben wir aus Überzeugung die bestmögliche Abgasnorm Euro 6 gewählt und zur Erreichung unserer Emissions-Einsparziele sämtliche technische Hilfsmittel integriert. So weit so gut – könnte man meinen: Aber von Unter­nehmen unserer Größe oder dem glücklichen Umstand, dass bei unserer letzten Beschaffung Euro-6 bereits bestellbar war, kann man noch keine Rückschlüsse auf alle Betriebe unserer Branche ziehen. In unserer Branche gehört eine hochvolatile Saisonkurve, die vor allem von Wetter und Temperatur abhängig ist, zu unseren Rahmenbedingungen. So ist es ganz normal, dass unser stärkster Tag in der Zustellung mehr als 260 % in Vergleich zum Zustellungsvolumen des schwächsten Tages entspricht. Zur Bewältigung dieser Saisonspitzen sind wir auf unsere Dienstleister aus dem Speditionsgewerbe angewiesen. Diese Unter­nehmen sind im Nah- und Verteilerverkehr oftmals kleine Betriebe, deren Fuhrparkanschaffungen sich weitestgehend auf den Gebrauchtmarkt beschränken. Die Einführung einer ‚blauen Plakette‘ wäre für diese Betriebe existenzgefährdend. Mit einer ‚blauen Plakette‘ würden zudem Symptome statt Ursachen bekämpft. Unter­nehmen und Endverbraucher zahlen schlussendlich die Zeche. Eine neue Plakette allein wird die Luftqualität in Ballungszentren nicht verbessern.“

Die Wissenschaft wurde vertreten durch Prof. Dr. Matthias Klingner, Leiter des Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI, Dresden, der sagte: „Bereits im Jahr 2010 konnte nachgewiesen werden, dass das Feinstaubproblem in deutschen Städten nicht auf den Verkehr zurückzuführen ist, sondern seine Hauptursache in wetterbedingten Schwankungen liegt. Dieser Zusammenhang wurde seitens der Politik weitgehend ignoriert, und es wurden Umweltzonen in vielen deutschen Städten eingeführt, um dem vermeintlichen Feinstaubproblem Herr zu werden. Die Nachrüstung von Partikelfiltern, die darauf folgte, führte zu einer Erhöhung der Stickoxidemissionen und letztlich auch von CO2. Das Ergebnis sind zehn Jahre weitgehend wirkungsloser Luftreinhaltmaßnahmen, denn die ökologische Wirkung von Umweltzonen ist um ein Vielfaches geringer als die von Verkehrsverflüssigung. Um verursachergerecht gegen Feinstaub- und Stickoxidemissionen vorzugehen, sollten vor allem intelligente Verkehrsleitungssysteme eingeführt, der ÖPNV umweltfreundlich gestaltet und die Busflotte erneuert werden. Nötig sind zudem umfassende, wissenschaftlich fundierte Analysen der verkehrsbedingten Umweltbelastungen. Die Wirkung von Umweltzonen und Dieselfahrverboten und deren volkswirtschaftlichen Folgen müssen objektiv bewertet und kritisch hinterfragt werden. Sonst werden wir die selbstverursachten Zielkonflikte zwischen Feinstaub, Stickoxiden und CO2 wohl nie auflösen“.

Angela Dorn, Sprecherin für Umweltpolitik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag, sagte: „Die hohen Schadstoffwerte, insbesondere beim Stickstoffdioxid, in den hessischen Städten gefährden die Gesundheit der Menschen. Hessen hat wichtige Maßnahmen umgesetzt wie die Umweltzonen, die beim Feinstaub auch Erfolge zeigen. Leider haben die Bundes- und frühere Landesregierungen zu lange weggeschaut, wertvolle Zeit ist verloren gegangen. Nach aktuellen Gerichtsurteilen drohen in einigen Städten komplette Fahrverbote. Um diesen drastischen Weg zu verhindern, fordern wir GRÜNE die Bundesregierung auf, die Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz vom 27. April 2017 umzusetzen. Der Bund muss die Hersteller in die Pflicht nehmen, Euro-5-Diesel nachzurüsten und so den tatsächlichen Ausstoß an Stickstoffdioxid zu reduzieren. Der nächste Schritt ist die Einführung der Blauen Plakette, die – mit fairen Übergangsregelungen – ab 2020 möglich wäre. Die Automobilindustrie hat damit eine große Chance, verlorenes Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zurückzugewinnen und sich hin zu global wettbewerbsfähigen und umweltfreundlichen Zukunftstechnologien zu entwickeln.“

Florian Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP im hessischen Landtag, sagte: „Die Diskussion über Fahrverbote ist irreführend und verzerrt die Realität. Tatsächlich konnten die Umweltbelastungen durch innovative Technologien in den letzten Jahrzehnten immer weiter gesenkt werden. Diesen Weg müssen wir fortsetzen, statt 16 Millionen Autofahrern Fahrverbote für Innenstädte zu erteilen. Es ist völlig unverantwortlich, dass die hessische Landesregierung auf der Verkehrsministerkonferenz solche Verbote fordert, aber keinen Plan hat, wie die davon betroffenen Pendler, Handwerker und Selbstständigen zu ihrer Arbeit kommen. Es hat nicht jeder in Hessen eine U-Bahn-Station vor der Haustür und nicht jeder Erwerbstätige bekommt von seinem Arbeitgeber ein Jobticket geschenkt, wie es das Land für seine Beamten und Angestellten plant. Die Verbotsdiskussion, wie sie beispielsweise von der Deutschen Umwelthilfe verantwortungslos angefeuert wird, belastet die hessische Automobilindustrie und gefährdet Arbeitsplätze. Wer heute seinen Diesel verkaufen will, spürt schon heute den Schaden am gesunkenen Wiederverkaufswert.“ 

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