VhU zum Gesetzentwurf Krankenkassen-Finanzierung – Bundesratssitzung am 06.11.2020

Pollert: „Gesetzentwurf des Bundes bestraft gut wirtschaftende Krankenkassen und gefährdet Finanzstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung“ / Fairer Wettbewerb statt Einheitsmedizin und Einheitskassen nötig

Frankfurt am Main. „Der geplante Zwangs-Vermögensabbau bei einer ganzen Reihe von gesetzlichen Krankenkassen und gleichzeitigem Verbot einer Anhebung des Zusatzbeitragssatzes sind aus der Haushaltsnot geborene Ad-hoc-Maßnahmen, deren Folgen nicht zu Ende gedacht sind.

Es droht eine Destabilisierung bisher gesunder Kassen und ein massiver Beitragssatzsprung Mitte 2021. Ich fordere die hessischen Abgeordneten im Bundestag und die Landesregierung über den Bundesrat auf, sich im Gesetzgebungsverfahren zum Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG) für die dringend erforderlichen Anpassungen einzusetzen“, sagte Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.

„Die Finanzstabilität gerade der gut wirtschaftenden Krankenkassen würde gefährdet, weil das Gesetz ihnen eine Beitragssatzanhebung solange verbieten will, bis sie ihr Vermögen unter 0,8 Monatsausgaben abgeschmolzen haben. Schon in diesem Jahr haben aber nicht nur Corona, sondern vor allem ausgabensteigernde Gesundheitsgesetze zu einem Defizit geführt, das sich im nächsten Jahr noch vergrößern wird. Damit beschwört der Gesetzentwurf spätere Insolvenzen von Krankenkassen herauf. Dringend erforderlich ist es deshalb, die „Beitragssatz-Anhebungsgrenze“, d.h. die Möglichkeit, den Zusatzbeitragssatz anzupassen, mindestens bei 1,0 Monatsausgaben zu erhalten. Bisher lag die Obergrenze für das Finanzvermögen bei 1,5 Monatsausgaben, ebenso wie in der gesetzlichen Rentenversicherung“, so Pollert.

Mit dem geplanten Raubzug durch das Vermögen gut wirtschaftender Krankenkassen würde auch der für die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens so wichtige Gedanke des Wettbewerbs schwer beschädigt. „Das Signal dieses Gesetzentwurfs an erfolgreich wirtschaftende Krankenkassen lautet doch, dass der Gesetzgeber die Spielregeln nach Gutdünken und Haushaltslage jederzeit ändern kann. Eine solide Finanz- und Haushaltsplanung der selbstverwalteten Krankenkassen wird mit einer derartig unseriösen und unkalkulierbaren Gesundheitspolitik unmöglich. Die Abführung von Vermögen – das die Mitglieder einer Krankenkasse und deren Arbeitgeber erarbeitet haben – an den Gesundheitsfonds ist ein problematischer, enteignungsgleicher Eingriff. Dies wäre in der derzeitigen Sondersituation als Notmaßnahme allenfalls vertretbar, wenn die Gelder in den Folgejahren den betroffenen Krankenkassen über höhere Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds wieder zurückgeführt werden“, sagte Pollert.

Die Beitragszahler zur gesetzlichen Krankenversicherung und den anderen Sozialversicherungszweigen bräuchten verlässliche Rahmenbedingungen und keine Gesetze nach Kassenlage des Bundes. Zur dauerhaften Stabilisierung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages bei unter 40 Prozent brauche es auch in der gesetzlichen Krankenversicherung endlich ausgabesenkende Strukturreformen. Eine entscheidende Rolle spiele aber auch ein fairer Wettbewerb der Krankenkassen um qualitativ gute Leistungen für ihre Versicherten bei einem guten Preis. Der geplante Raubzug durch die Vermögen gut aufgestellter Kassen sei ein falscher Schritt zu einer vom Gesundheitsministerium staatsgelenkten Einheitsmedizin mit Einheitskassen und müsse unterbleiben.

Hintergrund: Das Bundeskabinett hat am 23.09.2020 den Entwurf "Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege" beschlossenen. Anders als von der Bundesregierung mit der „Sozialgarantie 2021“ versprochen, soll das für 2021 prognostizierte Finanzierungsdefizit der gesetzlichen Krankenversicherung von über 16 Mrd. Euro jetzt nicht mehr vollständig, sondern nur noch mit einem Steuerzuschuss von 5 Mrd. ausgeglichen werden. Der Rest soll aus einer Zwangsabgabe vermögender Krankenkassen und einer Beitragssatzerhöhung um 0,2 Prozent finanziert werden. Am 06.11.2020 wird das Gesetz im Bundesrat behandelt.

Weiterführende Informationen:
 „VhU-Positionspapier Gesamtsozialversicherungsbeitrag unter 40 % halten“

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Ansprechpartner
Stefan Hoehl

Dr. Stefan Hoehl
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik