"Die Art und Weise, wie der Gesetzgeber im Jahr 2004 mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung die vollen Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten eingeführt hat, hat dem Image der Betriebsrente geschadet: Die zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge verdoppelten sich auf einen Schlag, darüber hinaus musste ein Betriebsrentner erstmals auf als Kapitalleistung in einer Summe ausgezahlte Betriebsrenten Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Dies alles ohne Übergangsregelung für laufende Betriebsrenten und für seit Jahren und Jahrzehnten bestehende Altzusagen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies später zwar für rechtmäßig erklärt. Viele Betroffene fühlten sich aber verständlicherweise überrascht oder sogar getäuscht. Grund für das rabiate Vorgehen des Gesetzgebers waren in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und zurückgehender Beschäftigung leere Staats- und Sozialversicherungskassen.
Gleichwohl ist die Forderung nach Halbierung der Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten – und damit eine Rückkehr zum Rechtszustand bis 2004 – abzulehnen. Denn eine Halbierung der Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten hätte die gefährliche Nebenwirkung, dass die Beitragsausfälle von rund 3 Milliarden Euro dann auf alle Krankenversicherten verteilt würden. So müssten etwa auch viele Beschäftigte ohne jeden Betriebsrentenanspruch die Entlastung der Betriebsrentner mitbezahlen. Für eine solche Umverteilung gibt es keine stichhaltige Begründung.
Abzulehnen ist die Forderung aber auch, weil mit der Beitragsentlastung für Betriebsrentner eine strukturelle Einnahmelücke entstünde, die eher über kurz als über lang zu steigenden Beitragssätzen führen würde. Weiterer Druck auf die Beitragssätze muss unbedingt vermieden werden, da durch die demographische Entwicklung – mit dem Ausstieg der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt müssen immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren – die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme ohnehin auf eine harte Belastungsprobe zusteuert. Für diese grundlegende Erkenntnis dürfen die augenblicklichen Überschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Sinne vernebeln. Denkbar wäre deshalb allenfalls, dass Beitragsausfälle in der Krankenversicherung durch Steuergelder gegenfinanziert werden. Da aber bereits heute über die Hälfte des Bundeshaushalts für Sozialleistungen aufgewandt wird, ist auch das keine gute Idee.
Berechtigt hingegen ist die Forderung, eine doppelte Verbeitragung von Arbeitsentgelt und Betriebsrenten zu vermeiden. Zu Recht hat deshalb der Gesetzgeber seit 2018 Riester-Betriebsrenten in der Auszahlungsphase beitragsfrei gestellt. Es gibt aber weitere Konstellationen, die zu einer mehrfachen Verbeitragung führen, etwa wenn nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer Pensionskassen- bzw. Pensionsfondszusagen privat fortführt. Auch bei einer Entgeltumwandlung im Umfang von mehr als 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze kommt es heute noch zu einer Doppelverbeitragung. Diese Fälle doppelter Verbeitragung müssen beseitigt werden.
Das überstürzte Handeln des Gesetzgebers bei der Einführung der vollen Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten sollte der Politik heute noch Mahnung für eine solide Finanzpolitik in der Sozialversicherung sein. Leider hat sich die aktuelle und schon die letzte große Koalition mit großzügigen Leistungsausweitungen bei der Rente und strukturellen Zusatzausgaben in der Kranken- und Pflegeversicherung mit jahrzehntelangen Belastungen der Beitragszahler auf einen anderen Weg gemacht. Deshalb muss die Rente mit 63 zulasten der jüngeren Generation beendet werden. Die Rechnung für die Mütterrente muss vom Beitrags- auf den Steuerzahler weitergereicht werden. Die durch den seit Jahren anhaltenden Beschäftigungsboom übervollen Kassen der Bundesagentur für Arbeit müssen zu einer kräftigen Beitragssatzsenkung um 0,5 Prozentpunkte genutzt werden. Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz muss bei unter 40 Prozent gehalten werden, damit die Lasten des demographischen Wandels nicht einseitig bei der Generation der Erwerbstätigen abgeladen werden“.
VhU zur Forderung des SPD-Fraktions-Vize-Vorsitzenden Karl Lauterbach nach Halbierung der Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten
Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, zu der Forderung nach Halbierung der Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten