"Am besten marktwirtschaftlich"

Wolf Matthias Mang, VhU-Präsident, zu Corona-Hilfen, Klimaschutz und Moral in der Politik - ein Interview von Lars Hennemann, Chefredakteur Echo Zeitungen GmbH für Darmstädter Echo/Wiesbadener Kurier



OBERTSHAUSEN. Klimaschutz gelingt am besten marktwirtschaftlich. Der Staat soll sich möglichst raushalten, meint Wolf Matthias Mang, Chef des hessischen Unternehmerverbandes.

Herr Mang, die Unternehmer fordern beim Klimaschutz ein Dreieck aus sinkendem CO2-Deckel, freiem Markt und technologieoffenem Wettbewerb. Wie soll es wirken? Und warum positionieren Sie sich ausgerechnet jetzt?

Wir sind zunächst einmal sehr dankbar, dass in Bundestag und Bundesratjetzt beschlossen wurde, dass ab 2021 eine CO2-Deckelung für Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas in Verbindung mit handelbaren CO2-Zertifikaten eingeführt wird. Das neue nationale Brennstoffemissionshandelsgesetz hat zwar handwerkliche Fehler, etwa die Fixpreise für CO2-Zertifikate, aber tendenziell geht es in die richtige Richtung.

Was haben Sie gegen Preise für CO2-Ausstoß?

Wir müssen CO2 begrenzen, nicht verteuern. Lassen Sie mich das mit einer sportlichen Metapher erklären. Stellen Sie sich einen Sportplatz mit Außengrenzen vor, vorgegeben von der Politik. Das ist sozusagen der Deckel. Die Akteure auf dem Spielfeld agieren dann so, wie das bei jedem Spiel der Fall ist: Dass man einen eigenen Vorteil mit Taktik herausarbeitet und dann am Ende siegreich ist. Der Klimaschutz steckt allein in der Begrenzung des Spielfeldes. Sie sorgt dafür, dass jedes Jahr weniger CO2 emittiert wird.

Was aber würden wir erleben, wenn wir CO2 parallel dazu starr bepreisen? Der Staat sagt, jetzt dürfen alle Spieler nur noch mit dem rechten Fuß schießen. Oder die mit dem grünen Trikot dürfen einen Spieler mehr aufs Feld schicken. So fängt der Staat an, selbst Akteur zu werden auf dem Spielfeld. Wir werden den Klimaschutz aber nicht verbessern, wenn wir die Wirtschaft einschränken.
Viele Leute denken so, aber das wird nicht funktionieren.

Nochmals: Warum halten Sie diese neuerliche Positionierung gerade jetzt für notwendig?

Na ja, das ist jetzt keine neue Position. Wir fordern schon seit Jahren einen CO2-Deckel auch für Wärme und Verkehr. Denn nur so können die CO2-Emissionen wirksam und zielgenau reduziert werden. Und nicht dadurch, dass man eine eigene Moral schafft. Das, was wir gerade erleben, ist ja, dass die Politik – auch mit dem Argument Corona-Hilfen – versucht, eine bestimmte Moral zu postulieren: Wir wollen Fahrverbote. Wir wollen weniger Fleisch, ein Verbot noch weiteren Wachstums. Wir glauben, dass Verbote der falsche Ansatz sind. Wir wollen, dass Klimaschutz so verankert ist, dass es keiner individuellen Moral einer politischen Partei, einer Strömung oder einer Greta Thunberg vor der UN bedarf.

Wie wollen Sie weitere Belastungen ausschließen, oder sind sie bei allem Bekenntnis zur Marktwirtschaft unausweichlich?

Es reicht ein einziges Verbot: Dass man nicht mehr CO2 ausstößt als es durch den jährlich sinkenden CO2-Deckel vorgegeben ist. Weitere politische Maßnahmen und Vorschriften sind ökologisch unwirksam und damit letztendlich abzuschaffen. Dazu zähle ich auch die EEG-Umlage. Neue Windkraftanlagen sollten keine Förderung bekommen. Und dann dieses Sammelsurium, was jeder Hausbesitzer hat, wann er welche Förderungen für welche Dämmung oder für welchen Heizungswechsel erhalten kann. Auch das ist ökologisch unwirksam und überfrachtet. Auch beim Individualverkehr reicht der CO2-Deckel.

Glauben Sie tatsächlich, dass das alles über marktwirtschaftliche Mechanismen steuerbar ist?

Ja, Marktwirtschaft innerhalb eines CO2-Deckels. Was natürlich Sinn macht, dass der Staat Universitäten und Forschungseinrichtungen Gelder für neue Technologien zur Verfügung stellt oder Investitionen fördert. Aber er muss dabei technologieoffen bleiben. Wissen wir, ob Elektromobilität zum Beispiel nicht nur eine Übergangstechnologie ist? Ist es dann richtig, sie ganz gezielt zu fördern und dabei aber außer Acht zu lassen, dass es vielleicht sinnvoller wäre, synthetische Kraftstoffe, die treibhausneutral hergestellt worden sind, zu benutzen? Und alle Förderungen neuer Technologien treffen ja nur die Neufahrzeuge, nicht den Bestand, aktuell haben wir 40 Millionen Fahrzeuge auf den Straßen. Da wäre es vielleicht sinnvoller, wenn viele mit Erdgas fahren. Ein gebrauchtes Auto umzurüsten kostet 2000 Euro. Und wir können langfristig die Brennstoffzelle entwickelt haben, die wird total unterschätzt.

Würden Sie das auch dem VW-Vorstand so sagen, der einen konsequenten Elektrokurs fährt und auch in Hessen für viele Arbeitsplätze steht?

Das sind sehr erfolgreich handelnde Unter­nehmenslenker. Da mag ich mir nicht anmaßen zu sagen, was sie tun sollen. Ich bleibe aber dabei: Die Politik darf hier keine technologischen Vorentscheidungen treffen. Solche Entscheidungen müssen dem einzelnen Bürger oder Unter­nehmen überlassen bleiben.

Politik funktioniert aber anders: Die will immer etwas regeln ...

Nicht nur Politiker, wir alle haben die Tendenz, das, was wir für richtig halten, anderen Menschen vorzuschreiben. In unserer sozialen Marktwirtschaft haben wir aber eine klare Arbeitsteilung: Der Staat setzt den Rahmen, innerhalb dessen die Akteure sich frei bewegen dürfen und sollen. Hier empfehle ich, dass die Politik den Erfolg der Wirtschaft mitdenkt.Denken Sie nur an den Flughafen in unserer Nähe, einen der größten Arbeitgeber Deutschlands. Auch hier müssen Ökologie, Ökonomie und Soziales ausbalanciert werden.

Wie meinen Sie das? Soll es bald wieder möglichst viele 20-Euro-Tickets nach Mallorca geben?

Es ist vollkommen unerheblich, wie viel das Ticket kostet. Auch hier gilt: Nicht der Preis ist entscheidend, sondern die Menge an CO2. Die CO2-Emissionen im europäischen Luftverkehr sind im europäischen Emissionshandel gedeckelt. Damit können wir sicher sein: Egal, wie viel das Ticket nach Mallorca kostet, die CO2-Emissionen sinken, weil der Klimaschutz im sinkenden CO2-Deckel steckt
und nicht in den Preisen.

Und wir können einem solchen System trauen? Haben Sie keine Angst vor Hintertürchen?

Ich will niemanden etwas unterstellen, aber je weiter wir uns von Deutschland wegbewegen, desto bunter wird es auch, das stimmt schon. Aber mit dem europäischen Emissionshandel existiert seit 2005 ein System mit sinkendem CO2-Deckel und handelbaren Zertifikaten. Es reduziert in Industrie, Energieerzeugung und Luftverkehr transparent und erfolgreich Emissionen – Jahr für Jahr. Dieses System zu übertragen auf Verkehr und Wärme ist der einzige Ansatz, der ökologisch wirksam und ökonomisch effizient ist. Und natürlich ist die Politik Schiedsrichter. Ich bleibe dabei, dass Klimaschutz am besten marktwirtschaftlich gelingt.

Das Interview führte Lars Hennemann.

Zur Person
Wolf Matthias Mang wurde 1957 geboren. Seit 2014 ist er Präsident der hessischen Unternehmerverbände. Mang führt gemeinsam mit seiner Frau das Unter­nehmen Arno Arnold GmbH in Obertshausen, das Schutzabdeckungen herstellt. Der Manager ist zudem Aufsichtsratschef der fränkischen Oechsler AG. Der Betrieb mit Sitz in Ansbach fertigt Produkte für die kunststoffverarbeitende Industrie.