Politik trifft Wirtschaft

Im Vorfeld der Europawahl 2019: Am 3. April begrüßte die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Wiesbaden zum gemeinsamen Austausch.

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Freiheit. Weltoffenheit. Wachstum: Für eine erfolgreiche EU!

(Die Rede von VhU-Präsident Wolf Matthias Mang im Wortlaut)
 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Gäste, herzlich willkommen zum Jahrestreffen Politik und Wirtschaft der VhU!

Am 26. Mai wird ein neues EU-Parlament gewählt, im Herbst die EU-Kommission neu aufgestellt. Diese Wahl wird eine Grundsatzwahl darüber, welches Europa, welche EU, wir Europäer wollen.

Die EU ist ein beispielloses Erfolgsprojekt. Ihre Erfolge werden von vielen für so selbstverständlich gehalten, dass sie sie nicht mehr richtig schätzen. Aber die EU erlebt gerade bewegte Zeiten. Europas Einheit, sowohl im Äußeren wie im Inneren, ist in den vergangenen Jahren vor große Herausforderungen gestellt worden.

Um den Verstand und die Herzen der Bürger wieder für Europa zu gewinnen, müssen wir die Erfolge nicht nur offen ansprechen, sondern eine Vision entwickeln, wo wir mit der EU eigentlich hin wollen.

Auf unserem letzten Hessischen Unternehmertag hat Ministerpräsident Bouffier uns Unternehmer darum gebeten, mit einem lauten Wort für dieses Europa einzutreten.

Und das tun wir gerne – und in unserem ureigenen Interesse! Bei der VhU machen wir mit unseren 80 Mitgliedsverbänden, ihren 150.000 Unter­nehmen, in denen 1,5 Millionen Menschen beschäftigt sind, dafür stark, wählen zu gehen. Die Ideen der hessischen Wirtschaft für das Europa der Zukunft haben wir gesammelt und aufgeschrieben. Wir wollen den pro-europäischen Kräften konstruktiv den Rücken stärken. Aber gerade weil uns Europa so am Herzen liegt, wollen wir es auch verbessern – und das bedeutet auch, die EU kritisch zu begleiten.

Heute hat das VhU-Präsidium die Erwartungen der hessischen Wirtschaft an die Politik nach der EU-Wahl beschlossen – unter der Überschrift: Freiheit, Weltoffenheit, Wachstum: Für eine er­folgreiche EU! Die hessische Wirtschaft will aus einem starken Wirtschafts­standort Europa heraus erfolgreich in der Welt sein. Wir wollen

  • einen wachsenden Wirtschafts­standort,
  • eine EU der 5 Freiheiten, wenn wir die Daten noch mitrechnen!, die ihre Kräfte auch bei Digitalisierung, Dienstleistungen und Energie bündelt,
  • eine reformwillige EU, deren Mitgliedsstaaten ihre Märkte öffnen und Schluss machen mit dem Schwarze-Peter-Spiel zwischen der EU und ihren Mitgliedern
  • und eine weltoffene EU, die auf multilaterale Kooperationen und Freihandel setzt und das vertrauensstiftende Regelwerk einer WTO stärkt.

Hier nur eine kurze Annäherung!

Die EU ist ein Binnenmarkt der 5 Freiheiten mit 500 Millionen Konsumenten. Sie steht im Wett­bewerb mit den anderen beiden großen Weltmärkten Amerika und Asien.

3 Kennziffern sollten Sie im Gedächtnis behalten:

  • 7 Prozent der Weltbevölkerung,
  • erwirtschaften die 22 Prozent des weltweiten BIP
  • – und erzeugen in ihren Mitgliedsstaaten 40 Prozent der weltweiten Sozialabgaben.

Unser Ziel als Unternehmer können Sie sich sicherlich denken: Wir wollen eine wirtschafts­freundliche EU-Politik! Wir wollen eine freie EU, eine wachstumsorientierte, reformwillige, innovative, digitale EU. Denn nur eine solchermaßen wettbewerbsorientierte EU wird ihren Mitgliedsstaaten ermöglichen, soziale Staaten zu bleiben.

Die Wirtschaft spielt eine zentrale Rolle im europäischen Einigungsprozess: Viele Unter­nehmen arbeiten in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten, verbinden Staaten und Menschen, bie­ten Problemlösungen an und machen Europa stärker. Nur ein wirtschaftlich starkes Europa, das seine Kräfte bündelt. kann sein Gewicht in der Welt einsetzen.

Kein einzelnes europäisches Land kann im globalen Spiel der Kräfte für sich allein eine große Rolle einnehmen. Nur gemeinsam können die europäischen Staaten auf Augenhöhe mit anderen Wirtschaftsräumen wie den USA oder China konkurrieren, zusammenarbeiten und weiterhin weltweit relevante Standards setzen.

Also sagen wir als hessische Wirtschaft 7 laute Jas zu Europa und zu dieser Europa:

1. Ja zu einer EU der 5 Freiheiten - denn der freie Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen, Kapital und Daten ist Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung.

2. Ja zu einer investierenden EU - mit mehr Ausgaben für Investitionen, Forschung & Entwick­lung, Sicherheitspolitik und Migrationsbewältigung.

3. Ja zu einer digitalen EU - denn Europa muss im Standortwettbewerb mit Amerika und Asien aufholen. Deswegen:

  • den digitalen Binnenmarkt schaffen,
  • Gigabit-Netze ausbauen,
  • die Cybersicherheit stärken
  • und einen intensiven Wettbewerb bei Plattformen und Datennutzung zulassen.

4. Ja zu einer mittelstandsfreundlichen EU – die bei der Formulierung und Umsetzung ihrer Gesetze besser auf die Belange kleiner und mittlerer Unter­nehmen achtet.

5. Ja zu einer EU, die den Binnenmarkt vollendet: und vor allem dort, wo es ihn noch nicht gibt: bei Dienstleistungen, Energie und Digitalem.

6. Ja zu einer reformwilligen EU: Sie muss auf der obersten Ebene handlungsfähig werden und subsidiär bleiben. Dazu ist eine Fokussierung auf Kernthemen wie Außenwirtschaft und Handel, Schutz des Wettbewerbs oder Innovation erforderlich. Nötig sind Reformen, sowohl an den Institutionen der EU als auch in ihrem politischen Wirken.

7. Ja zu einer EU, die das Erwirtschaften fördert und das Umverteilen vermindert: Keine Aus­weitung zu einer Sozial- und Transferunion, z.B. wie zuletzt durch Pläne einer europäischen Arbeitslosenversicherung.

Und wenn ich noch ein 8. Ja wünschen darf: Ja zu einem guten Verhältnis zum Vereinigten Königreich außerhalb der EU -  ohne Häme und Schadenfreude.

Kurz und gut: die EU ist ein einmaliges Erfolgsprojekt, aber auch eine große Reformbaustelle.

Ein „Weiter so!“ darf es auf keinen Fall geben. Wir von der hessischen Wirtschaft sagen:

  • mehr auf dezentrale Marktprozesse setzen,
  • auf ergebnisoffenen Wettbewerb,
  • auf Gewinnanreize und
  • Haftung privater Investoren und Innovatoren!

Aber was wir nicht wollen:

  • die schleichenden Ausweitung von Transfers innerhalb der Eurozone
  • und die Vergemeinschaftung von Haftung in der EU.

Die einzelnen Euroländer und übrigen EU-Mitgliedstaaten müssen endlich dezentral ordnungs­politische Reformen durchführen. Was nicht geht:

  • dass solche Reformen unterbleiben, aber
  • wenn dann tragischerweise irgendwo eine Brücke einstürzt, die EU zum Sündenbock gemacht wird.

Die hessische Wirtschaft will und unterstützt die Einigung Europas. Deshalb rufen wir alle 1,5 Millionen Beschäftigte unserer Betriebe auf: Gehen Sie wählen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wenn Politik und Wirtschaft hier an einem Strang ziehen – und in die gleiche Richtung! – dann wird auch künftig die EU ein Garant für Frieden und Stabilität bleiben.

Mir ist auch klar, dass viele politische Diskussionen an den Stammtischen unserer hessischen Wirtshäuser geführt werden. Und das ist gut so! Deshalb müssen wir die Stammtischhoheit ge­winnen. Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen: Wohin soll ich denn gehen. Dafür haben wir für Sie am Eingang ein kleines Buch mit dem Titel „Die 50 besten Dorfgasthäuser in Hessen“ ausge­legt. Eine Super-Initiative des Hotel- und Gaststättenverbands in Zusammenarbeit mit dem Brauerbund. Die müssen es schließlich wissen.

Vielen Dank!

 Die Rede als pdf-Datei!

Ansprechpartner
 Dr. Vladimir von Schnurbein

Dr. Vladimir von Schnurbein
Gesellschafts- und Bildungspolitik