Wasserstoff-Hochlauf flächendeckend voranbringen

Position des VhU-Energieausschusses zum Wasserstoff-Hochlauf vom 08.12.2023

08.12.2023 4 Min. Lesezeit

Zusammenfassung

Unseren hohen Wohlstand verdanken wir zu einem erheblichen Anteil gut verfügbaren und günstigen fossilen Energieträgern wie Erdöl, Erdgas und Kohle. Die Förderung von einem Barrel Erdöl mit einem Heizwert von mehr als 1.600 Kilowattstunden kostet im Nahen und Mittleren Osten lediglich etwa 10 Dollar und in den USA auch nur rund 35 Dollar. Zuzüglich der Kosten für Transport und Verteilung zahlen Endverbraucher lediglich wenige Cents je Kilowattstunde für Energie aus fossilen Energieträgern, wenn man von staatlichen Preisverteuerungen absieht. Über Jahrzehnte wurden Wirtschaft und Gesellschaft so zu extrem niedrigen Kosten mit gut transportierbarer und speicherfähiger Energie wetterunabhängig versorgt.

Doch das „fossile Zeitalter“ dürfte bald enden. Um nicht länger den Klimawandel zu befördern, wollen die meisten Staaten der Erde den Ausstoß von Treibhausgasen langfristig beenden. Die EU will bereits bis 2050 treibhausgasneutral sein. Damit dieser Umbau des Energiesystems technisch gelingen kann und Akzeptanz in den Bevölkerungen findet, braucht es wirtschaftliche Alternativen zu Erdöl, Erdgas und Kohle. Neue treibhausgasneutral erzeugte Energieträger müssen jederzeit in großen Mengen und wirtschaftlich verfügbar sowie speicherbar und transportierbar sein.

Wasserstoff kann aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Er könnte die geforderten Eigenschaften als alternativer Energieträger zu Erdöl, Erdgas, und Kohle erfüllen. So könnte Wasserstoff neben Strom ein weiterer Pfeiler eines künftigen treibhausgasneutralen Energiesystems werden. Anders als Strom ist Wasserstoff gut speicherbar. In vielen Anwendungen lässt sich Erdgas recht einfach durch Wasserstoff ersetzen. Erdgasleitungen können verhältnismäßig leicht wasserstofftauglich gemacht werden. Durch die sogenannte PtX-Synthese lassen sich mit Wasserstoff außerdem flüssige und gasförmige Kraft- und Brennstoffe synthetisch herstellen, die die gleichen Eigenschaften haben wie ihre fossilen Pendants. Allerdings ist derzeit völlig offen, wo, wann und wie eine ausreichende Menge an Wasserstoff hergestellt werden kann.

Die hessische Wirtschaft befürwortet einen Wasserstoff-Hochlauf, denn sie benötigt Wasserstoff aus drei Gründen: Erstens um den CO2-Ausstoß von Anlagen und Prozessen zu reduzieren – insbesondere dort, wo eine Elektrifizierung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich ist. Zweitens um die Versorgungssicherheit in einem zunehmend wetterabhängigen Energiesystem zu verbessern: Wenn die Sonne stark scheint und der Wind kräftig weht, kann der überschüssige Strom in Form von Wasserstoff für spätere Zeiten gespeichert werden, in denen zu wenig Strom aus Sonne und Wind erzeugt wird. Drittens kann Wasserstoff helfen, Energie besser zu transportieren und zu speichern, indem Erdgasnetze und große Gasspeicher weiter genutzt werden. So muss weniger Energie über Stromnetze transportiert werden.

An den Wasserstoff-Hochlauf sind zahlreiche Anforderungen zu stellen, damit er gesamtwirtschaftlich effizient erfolgt, damit Wettbewerbsverzerrungen möglichst unterbleiben und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Hessen überregional und international nicht beeinträchtigt wird:

  1. Der Wasserstoff-Hochlauf muss marktwirtschaftlich und technologieoffen erfolgen.
  2. Die politische Klassifizierung von Wasserstoff in vermeintlich guten und schlechten Wasserstoff sollte aufhören. Die Entscheidung über die Nutzung einer „Wasserstofffarbe“ sollte durch marktwirtschaftliche Prozesse erfolgen.
  3. Quoten für erneuerbaren Wasserstoff sind abzulehnen, da sie den Hochlauf teuer und ineffizient machen. Die Verteilung von Wasserstoff sollte durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden, nicht durch staatliche Priorisierung.
  4. Angesichts unzureichender heimischer Produktionskapazitäten sollte der Bund eine Importstrategie für Wasserstoff entwickeln.
  5. Um eine CO2-neutrale Wasserstoffproduktion zu erhöhen, ist die großtechnische Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (CCU, CCS) in Deutschland zu erlauben. Der Bund muss seine Carbon-Management-Strategie vorlegen.
  6. Die Bundesregierung sollte schnellstens den Bau von Energieersatzkapazitäten durch wasserstofftaugliche Gaskraftwerke, Speicher und Elektrolyseure ermöglichen. Zusätzliche installierte gesicherte Leistung ist für die Stromversorgungssicherheit dringend erforderlich.
  7. Ein flächendeckendes Wasserstoffnetz, unter Einbeziehung bestehender Erdgasleitungen, sollte zügig aufgebaut werden.
  8. Die Finanzierung des privatwirtschaftlichen Aufbaus der Wasserstoffinfrastruktur sollte so erfolgen, dass prohibitiv hohe Netzentgelte vermieden werden.
  9. Gas- und Stromnetzplanung sowie und die Planung der Wasserstoffinfrastruktur sollten integriert werden, um eine Gesamtkostenoptimierung zu erreichen.
  10. Marktmechanismen sollten von physikalischen Energieflüssen entkoppelt werden, um auch den bilanziellen Zugang zu Wasserstoff zu ermöglichen.
  11. Unter Berücksichtigung der Anforderungen wichtiger Nutzer wie der Industrie sollte Wasserstoff im Verteilnetz beigemischt werden.
  12. Die Genehmigungsverfahren für Wasserstoffinfrastruktur sollten verkürzt werden.
  13. Die hessische Landesregierung sollte koordinierend und unterstützend tätig werden und die Wasserstoffstrategie des Landes weiterentwickeln. Sie sollte valide Bedarfszahlen erheben und sich für die Realisierung der alternativen Querverbindung der Wasserstofffernleitungen durch Hessen einsetzen.
  14. Land und Kommunen müssen dafür sorgen, dass Unternehmen in allen Regionen Hessens Wasserstoff beziehen können.

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Dr. Clemens Christmann

Stellvertretender Hauptgeschäftsführer

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Marius Schäfer

Energie- und Klimapolitik

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