Austausch mit der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen

Hoehl: „Potenziale schwerbehinderter Menschen noch besser nutzen! // Jobcenter müssen Reha-Bedarfe besser erkennen“

02.09.2022 3 Min. Lesezeit

Frankfurt am Main. „120.000 Menschen mit Schwerbehinderung nehmen in Hessen als qualifizierte und motivierte Mitarbeiter ganz selbstverständlich am ersten Arbeitsmarkt teil. Die hessische Wirtschaft hat ein großes Interesse daran, dass noch mehr der rund 11.000 schwerbehinderten Arbeitslosen den Weg in Arbeit schaffen. Hierzu müssen die hessischen Jobcenter Reha-Bedarf von Arbeitslosen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen deutlich früher und umfassend erkennen und zusammen mit Arbeitsagenturen, Rentenversicherung und Krankenkasse berufliche und medizinische Reha-Maßnahmen einleiten“, sagte Dr. Stefan Hoehl, Geschäftsführer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU).

„Leider passiert in den Jobcentern beim Thema Rehabilitation noch viel zu wenig. Folge ist, dass viele Menschen mit Behinderung im Langzeitleistungsbezug verharren. Für die berufliche Rehabilitation – also etwa Weiterbildungen für eine Tätigkeit, die mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ausgeübt werden kann – ist amtlich, dass insbesondere die 16 kommunalen Jobcenter in Hessen dramatisch weniger Maßnahmen durchführen. Nur 0,47 Prozent der Leistungsbezieher erhalten hier berufliche Reha, während es bei den 10 gemeinsamen Einrichtungen von Kommunen und Arbeitsagentur 1,24 Prozent sind, also weit mehr als doppelt so viel. Dies geht aus einer Antwort des hessischen Sozialministers vom 08.07.2022 auf eine kleine Landtagsanfrage hervor. Sicher liegt es nicht am fehlenden guten Willen der kommunalen Jobcentermitarbeiter. Aber ganz offensichtlich gibt es strukturelle Gründe für dieses Defizit, die von den kommunalen Jobcentern und dem aufsichtführenden hessischen Sozialministerium endlich angegangen werden müssen“, so Hoehl.

„Während Großunternehmen die Schwerbehinderten-Beschäftigungsquote regelmäßig deutlich übererfüllen, schaffen viele kleinere Betriebe ab 20 Mitarbeitern die Quote oft nicht. Erfolgversprechend für mehr Schwerbehindertenbeschäftigung ist deshalb vor allem eine bessere Beratung und Unterstützung gerade kleiner Arbeitgeber durch Reha-Träger und Integrationsamt. Denn kleinere Betriebe sind bei der Integration von Schwerbehinderten schlicht im Nachteil, weil Betriebsabläufe nicht so einfach angepasst und viel weniger alternative Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Gleichzeitig fehlt Kleinbetrieben regelmäßig ein Experte, der sich im Förderdschungel der zahlreichen Reha-Träger auskennt. Hier sollen die neuen einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber Abhilfe schaffen, die jetzt zügig und landesweit eingerichtet werden müssen“, erklärte Hoehl.

„In die völlig falsche Richtung gehen dagegen Forderungen nach Verschärfung der Ausgleichsabgabe für Betriebe, die ihre Schwerbehinderten-Beschäftigungsquote nicht erfüllen, vor allem also kleine Betriebe. Denn schon rechnerisch können die hessischen Betrieben die Beschäftigungspflicht nicht erfüllen: Rund 22.000 nicht besetzten Pflichtarbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen stehen in Hessen nur rund 11.000 schwerbehinderte Arbeitslose gegenüber. Statt also von Unternehmen etwas faktisch Unmögliches zu verlangen, sollte Zahl der unbesetzten Pflichtarbeitsplätze gesetzlich zumindest so begrenzt werden, dass sie nicht höher ist als die jahresdurchschnittliche Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen eines Bundeslandes“, so Hoehl abschließend.


Hintergrund
Zuletzt waren rund 120.000 Schwerbehinderte in Hessen in Beschäftigung, hiervon rund 80.000 bei privaten Arbeitgebern. Darunter sind auch rund 17.000 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Arbeitnehmern beschäftigt, die gesetzlich nicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtet sind. Mit 4,6 Prozent hat kein anderes Bundesland eine höhere Schwerbehindertenquote bei den privaten Arbeitgebern als Hessen. Von den rund 176.000 Arbeitslosen in Hessen sind rund 11.000 schwerbehindert.

Weiterführende Informationen im Anhang:
VhU-Papier „Fragen und Antworten zur Schwerbehindertenbeschäftigung in Hessen“

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