Mehr private Investitionen in Wohnraum ermöglichen: Land muss deregulieren und Kommunen finanzielle Anreize geben, mehr neue Bauflächen auszuweisen
Verbändepressekonferenz Wohnungspolitik
Frankfurt am Main. Mindestens 20.000 neue Wohnungen pro Jahr in Hessen sind aus Sicht der Wirtschaft bis 2040 nötig, um den Wohnungsmangel abzumildern und um leichter neue Arbeitskräfte für hessische Unternehmen zu finden. Was Landtag und Landesregierung nach der Landtagswahl 2023 dazu beitragen können, haben die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände und Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft heute in einer Pressekonferenz aufgezeigt.
Die zentrale Forderung ist, mehr private Investitionen in Wohnraum zu ermöglichen. Dazu sollte das Land den Kommunen kräftige finanzielle Anreize für die Schaffung neuer Bauflächen im Kommunalen Finanzausgleich geben und Überregulierung und Bürokratie rund um den Wohnungsbau verringern. Genehmigungsverfahren für den Ausbau von Dachgeschossen und für Aufstockungen von Gebäuden sollten vereinfacht und beschleunigt werden. Eingriffe in den Mietwohnungsmarkt sollten zurückgenommen werden, damit private Bauherren und Vermieter mehr Anreize haben, Wohnraum neu zu schaffen oder zu modernisieren. Die Mietpreisbremse und das Verbot, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, sollten abgeschafft werden. In der Klimapolitik sollte sich die Landesregierung auf die Klimafolgenanpassung und den Umbau des öffentlichen Raums fokussieren.
Thomas Reimann, VhU-Vizepräsident und Vorstandsvorsitzender der ALEA Hoch- und Industriebau AG aus Frankfurt, sagte: „Wir werben dafür, dass die Parteien unsere Anliegen in ihre Programme zur Landtagswahl 2023 aufnehmen. Politik und Wirtschaft verfolgen gemeinsam das Ziel, den Wohnungsmangel zu beseitigen. Entscheidend für den Standort Hessen ist, dass Unternehmen bei der Suche nach neuen Mitarbeitern nicht das Nachsehen haben, weil es schlicht keine Wohnungen für zuziehende Arbeitskräfte gibt.“
Durch die Baukostensteigerungen und den Zinsanstieg sei die Bau- und Immobilienbranche in ein schwieriges Fahrwasser geraten. Von Januar bis Oktober 2022 seien in Hessen 8,5 Prozent weniger Baugenehmigungen für neue Wohnungen erteilt worden als im Vorjahreszeitraum. Deshalb dürfte in den kommenden Jahren die Zahl an fertig gestellten Wohnungen wohl leider sinken, befürchtet Reimann und sagte: „Bis 2040 werden rund 367.000 Wohnungen in Hessen benötigt. Das sind rund 20.000 pro Jahr. Die Landespolitik darf nichts tun, was private Investitionen in Wohnungen ausbremst. Statt neuer staatlicher Eingriffe in den Wohnungsmarkt müssen die Rahmenbedingungen so verbessert, dass das Wohnungsangebot steigt.“
Jörg Brömer, Geschäftsführer der Brömer und Sohn GmbH in Wiesbaden, sprach für den Bauindustrieverband Hessen-Thüringen sowie für den Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen: „Bei der Klimapolitik muss sich Hessen auf die Anpassung an die Klimafolgen beschränken. Bauten, Infrastruktur und öffentliche Räume müssen besser an Starkregen und Hitze angepasst werden. Bei dieser Aufgabe muss das Land die Kommunen unterstützen. Der Klimaschutz wird hingegen erfolgreich auf EU-Ebene mit jährlich sinkenden CO2-Deckeln für Strom und Industrie und demnächst auch für Gebäude und Verkehr gewährleistet. Der Landtag sollte keine klimapolitischen Vorgaben wie etwa eine Holzbauquote im Wohnungsbau beschließen.“
Brömer: „Damit mehr Wohnungen gebaut werden, muss eine flächensparende Außenentwicklung auch zukünftig möglich bleiben. Um Flächen sparsamer zu nutzen, sollten Vorgaben für eine dichtere Bebauung geprüft werden.“ Als Beitrag zum Bürokratieabbau forderte Brömer, die Aufstockung von Gebäuden und den Dachgeschossausbau grundsätzlich von einer Baugenehmigung freizustellen.
Gerald Lipka, Geschäftsführer vom BFW Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, sagte: „Noch immer weisen viele Kommunen im Ballungsraum zu wenig neue Bauflächen aus, da die sozialen Folgekosten von Neubaugebieten Kommunen finanziell stark belasten. Der nächste Landtag sollte im Kommunalen Finanzausgleich einen finanziellen Anreiz setzen, damit Städte und Gemeinden mehr neue Bauflächen schaffen.“
Zudem forderte Lipka, das Aufkommen der Grunderwerbsteuer zu deckeln und den Steuersatz von 6 Prozent in zwei Schritten um je 0,5 Prozentpunkte zu senken, sobald die Sanierung der Landesfinanzen es zulässt. Seit 2010 hat sich das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer in Hessen von 403 Millionen Euro auf 1,977 Milliarden Euro im Jahr 2021 fast verfünffacht.
Lipka: „Eine mögliche gesetzliche Verpflichtung für Solardächer lehnen wir ab. Photovoltaik und Solarthermie sind sinnvoll, um Gebäude mit Strom und Wärme zu versorgen. Wegen der Energiekrise erwarten das Privatkunden und Investoren auch von Neubauten. Schon jetzt gibt es einen Run auf Solaranlagen und Wärmepumpen.“
Gregor Weil, Geschäftsführer von Haus & Grund Frankfurt am Main, warnte vor weiteren staatlichen Eingriffen, die Investitionen in Modernisierungen und in neue Wohnungen erschweren: „Mietpreisbremse und Kappungsgrenze müssen abgeschafft werden. Seit 2015 wurde die Mietpreisbremse von 16 auf 53 hessische Kommunen ausgeweitet. Weder in Frankfurt noch anderswo hat der Wohnungsmangel infolge der Mietpreisbremse abgenommen.“
Abgeschafft gehöre auch das Umwandlungsverbot, das die Umwandlung von Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen verhindern solle, sagte Weil. „Das Umwandlungsverbot greift nicht nur viel zu stark in die Rechte von Immobilieneigentümern ein, sondern erschwert auch die Bildung von Wohneigentum. Vier von fünf Haushalten erfüllen sich ihren Wunsch nach Wohneigentum aus dem Bestand, nur jeder fünfte Haushalt kauft Wohneigentum aus dem Neubau. Eigentümer müssen das Recht haben, ihr Eigentum auch frei veräußern zu dürfen.“
Alle ausführlichen Statements der Pressekonferenz als pdf.
Die Erwartungen der hessischen Wirtschaft an die Politik nach der Landtagswahl 2023 finden Sie hier.