Innovative Geschäftsmodelle und Produktivitätssprünge gelingen am ehesten durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und Sinnhaftigkeit.

Wolf Matthias Mang, Geschäftsführer Arno Arnold in Obertshausen, Aufsichtsrats-Vorsitzender der Oechsler AG Vorstandsvorsitzender HESSEN­METALL

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Vorab das verschriftliche aktiv-Interview zum HESSENFORUM am 11. Mai:

Interview zum HESSENFORUM 2022

„Innovative Geschäftsmodelle und Produktivitätssprünge gelingen uns vielfach durch die Zusammenarbeit mit IT-Unter­nehmen und Hochschulen sowie eine fehlertolerante Kultur der Sinnhaftigkeit. Das ermöglicht Kurs zu halten, wenn man ständig neu priorisieren muss, wie man mit den vielfältigen Herausforderungen von Kriegsfolgen, Pandemiefolgen, Lieferkettenengpässen und der großen digitalen Transformation umgehen muss.“  Wolf Matthias Mang, Geschäftsführer Arno Arnold in Obertshausen, Aufsichtsrats-Vorsitzender der Oechsler AG, Vorstandsvorsitzender HESSEN­METALL


Herr Mang, wir wollen darüber reden, wie uns neue Geschäftsmodelle, Technologien und Arbeitsorganisationen helfen können, einige der größten Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Was treibt Sie im Moment besonders um?

Wir führen dieses Gespräch jetzt gut drei Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine und keiner weiß, wie sich das alles weiterentwickeln wird. Darüber tritt alles andere erst einmal in den Hintergrund. Fast alle Unter­nehmen, die ich kenne, haben Kontakte in die Ukraine und auch in Belarus, haben dort Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden. Und jetzt wird die Ukraine mit einem Krieg überzogen, der mit Menschenverachtung in unvorstellbarer Größe einhergeht. Deshalb muss die Weltgemeinschaft aufzeigen, dass sie das nicht toleriert und den Krieg verurteilt. Die bisherigen Sanktionen sind wichtig und richtig, auch wenn das für uns Konsequenzen hat, die wir noch gar nicht absehen können.

Inwieweit sind Ihre beiden Unter­nehmen Arno Arnold und Oechsler AG von den Auswirkungen des Krieges betroffen?

Als vor einigen Monaten im Suezkanal ein Containerschiff quer stand, dachten wir alle, das wird sich schon bald wieder klären. Der Vorfall löste jedoch eine gewaltige Kettenreaktion aus: Sie wirbelte die weltumspannenden Lieferketten kräftig durcheinander. In den Häfen der Welt stauten sich die Schiffe, überall fehlte es an Containern und schließlich kamen hier, wenn überhaupt, Waren wie etwa Halbleiter aus Asien nur mit großer Verspätung an. Ähnliches wiederholt sich gerade z. B. in Shanghai.
Die strikten Corona Lockdowns in China wurden zur extremen Belastung. Und das Ganze bekommt durch Putins völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine eine ganz neue Dimension. Kabelbäume für die europäische Fahrzeugindustrie werden z. B. fast ausschließlich in der Ukraine produziert, weil Handarbeit dort nicht viel kostet, die Lieferwege aber verhältnismäßig kurz sind. Viele Betriebe, die solche handarbeitsintensiven Bauteile für ihre Produkte benötigen, mussten ihre Produktion inzwischen stilllegen und auch das hat Auswirkungen auf andere Betriebe. In unseren beiden Unter­nehmen erleben wir gerade, dass wir zwar produzieren können aber nicht mehr liefern dürfen, weil unseren Kunden eben andere Teile fehlen. Vorher hatten wir Engpässe, weil unseren Kunden Halbleiter fehlten. Übrigens könnte auch der Maschinenbau insgesamt vielmehr produzieren – die Auftragsbücher sind voll – nur gibt es nach wie vor zu wenig Mikrochips.

Was bedeuten für Sie die steigenden Energiekosten durch den Krieg und auch vor dem Hintergrund der Umsetzung der Energiewende durch den Ausbau alternativer Energien?

Die hessische Wirtschaft trägt die bisherigen Sanktionen gegen Russland voll mit. Sie sollten uns aber nicht mehr schaden, als dem Aggressor, denn unsere Abhängigkeit von Gas ist groß. Die Substitution von Gas ist nicht so einfach. Der komplette Verzicht auf Gas aus Russland würde die Wirtschaft in der EU, nicht nur in Deutschland, massiv treffen, viele Unter­nehmen in die Insolvenz treiben und zu Massenarbeitslosigkeit führen.

Auch hier muss man an das feine Räderwerk denken, über das die Wirtschaft funktioniert. Es geht ja nicht allein um die notwendige Energiemenge für eine laufende Produktion, die nicht nur in Gießereien sehr groß ist, sondern zum Beispiel auch um Transport und Logistik. Allein die Speditionen haben durch die hohen Spritpreise von über 2 € je Liter, die durch langfristig abgeschlossene Verträge nicht 1:1 an Kunden weitergeben können, enorme Probleme. Und auch Beschäftigte, die auf dem Land leben oder in der Schicht arbeiten, können nicht einfach auf Öffentlichen Nahverkehr umsteigen, wenn sie zu ihrem Arbeitsplatz wollen. Mit der Halbierung der Steuern und Abgaben je Liter Sprit könnte der Staat hier wirklich jedem helfen.

Laut unserer Blitzumfragen im März rechneten die Unter­nehmen vor dem Ukraine-Krieg mit Umsatzrückgängen von mindestens 4 %, und befürchten nun sogar Umsatzrückgänge von 8 % und mehr. Was sind für Sie die größten Herausforderungen, die die Wirtschaft meistern muss? Die Bandbreite reicht ja von Krieg, Pandemie und Lieferengpässen bis hin zur digitalen Transformation, dem Fachkräftemangel und der nächsten Tarifrunde. Welche Priorisierung empfehlen Sie?

Ohne Zweifel ein breites Feld. Die aktuellen Herausforderungen sind geprägt von dem kurzfristig notwendigen Handeln auf die Auswirkungen durch den Krieg gegen die Ukraine. Man muss ständig neue Prioritäten setzen. Wir stehen vor Herausforderungen ungemeiner Art. Trotz aller Unwägbarkeiten dürfen wir optimistisch sein, sollten uns aber auch eine Art Alltags-Pessimismus bewahren. Wir dürfen einfach nicht erwarten, dass wir aus dieser insgesamt wirklich schwierigen Situation wieder in eine angeblich normale Situation wie zuvor zurückkehren – oder gar zügig herauskommen, damit wir nicht in einen Kreislauf von zu großen Hoffnungen und schnellen Enttäuschung geraten. Nüchterne Zuversicht wird uns helfen, durch die gefährlichen Klippen zu segeln.

Die hessische Wirtschaft ist eine starke Wirtschaft. Aktuell zählen wir in Hessen rund 30.000 Arbeitslose weniger als noch vor einem Jahr. Dass sich die hessische M+E-Industrie als so widerstandsfähig und handlungsfähig erweisen würde, war zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 nicht zu erwarten. Das gibt mir Hoffnung und macht Mut. Aber: Durch den Krieg und die damit verbundenen Konsequenzen ist der Rucksack, den wir schleppen müssen, allerdings deutlich schwerer als gedacht.

Jeden Tag ist Krisenmanagement gefragt: Nach wie vor durch die Folgen der Pandemie und den Ausfall von Mitarbeitern, durch das Ausbleiben von Lieferungen und der Suche nach Ersatz, die Umstellung des Vertriebs durch die Sanktionen und vieles mehr. Daneben stecken wir ja mitten in der Transformation und treiben die Digitalisierung voran.
Auch unsere Produkte sollen smarter werden, etwa durch den Einbau von Sensoren und neue Technologien. Es geht bei uns auch um Predictive Maintenance, also vorausschauende Wartung, damit es beim Kunden nicht zu Maschinenstillständen kommt. Und wir arbeiten an der Errichtung eines geeigneten ERP-Systems, um die vielen Plattformen, auf denen wir mit unseren Kunden kommunizieren, vereinfachen zu können. Das alles läuft im Moment auch noch nebenher.

Das ist in anderen Unter­nehmen ähnlich. Alle sind enorm gefordert. Es ärgert mich deshalb sehr, dass die Digitalisierung beim Staat gar nicht vorankommt. Was wir seit Jahren fordern, ist bisher nicht eingelöst worden. Im Gegenteil: Die Bürokratie nimmt inzwischen groteske Formen an. Die Differenz zwischen dem Anspruch und der Realität in Deutschland wird immer größer, weil der Staat seine Hausaufgaben nicht macht. Da muss wirklich mehr getan werden und alle müssen sich anstrengen, um diese Kluft zu verkleinern.

Alles in allem bin ich dennoch optimistisch, dass wir die aktuelle Situation meistern. Nicht zuletzt, weil wir hier in Hessen und in ganz Deutschland starke Belegschaften haben, die sich wirklich reinhängen. Von diesem Engagement bin ich immer wieder beeindruckt. Denn nur eine starke Wirtschaft kann Deutschland und Europa robuster machen gegen die aktuelle Krise und die Krisen der Zukunft.

Der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj sagte an Deutschland gewandt: „Ihr denkt immer nur an Wirtschaft ….“ Was sagen Sie dazu?

Ich fand seine Rede im Deutschen Bundestag sehr bewegend. Und es hat mich erschüttert, dass das Parlament danach einfach zur Tagesordnung überging und zwei Abgeordneten zum Geburtstag gratulierte. Das war unterirdisch. Richtig wäre es gewesen, im Anschluss an seine Rede eine Generaldebatte im Bundestag zu führen.
Im Übrigen hat er sich im Rahmen der Rede bei der deutschen Wirtschaft bedankt für die Unterstützung und, dass wir die Sanktionen mittragen. Natürlich ist sein Wunsch, dass wir auch bei der Energieseite härter reagieren und auf Lieferungen aus Russland verzichten. Aber damit würden wir – wie schon gesagt - der Wirtschaft in ungeheurem Ausmaß und uns damit deutlich mehr schaden, als dem Aggressor Putin. Deshalb: Jede erdenkliche Unterstützung für die Menschen in der Ukraine, aber keine Selbstbeschädigung! Wir brauchen eine starke Wirtschaft, die dann auch beim Wiederaufbau in der Ukraine unterstützen kann.

Unabhängig vom aktuellen Krisenmanagement: Wie geht in den Unter­nehmen die Konzentration auf innovative Geschäftsmodelle voran? Wie schaffen wir Produktionssprünge? Wie machen Sie das in Ihren Unter­nehmen und was empfehlen Sie anderen Unter­nehmen?

Vieles gelingt uns durch die Zusammenarbeit mit Hochschulen und nicht zuletzt mit IT-Unter­nehmen. Bei Arno Arnold haben wir zum Beispiel gemeinsam mit der TU Darmstadt eine Schutzabdeckung mit einer KI verknüpft, IOT-fähig gemacht und zur Marktreife geführt. Gefördert wurde das über das LOEWE-Programm. Ich war beeindruckt, wie toll und unkompliziert das alles klappte. Mittelständische Unter­nehmen wie wir können sich die für solch eine Entwicklung eigentlich notwendigen großen IT-Abteilungen gar nicht leisten. Abgesehen davon gäbe es dafür auch gar nicht genügend IT-Spezialisten. Das ist ein genereller Schwachpunkt bei der Digitalisierung.

Die Öffnung von HESSEN­METALL für IT-Unter­nehmen ist ein großer Gewinn für uns alle, da der Verband uns damit ein geniales Netzwerk anbietet. Und zu diesem Netzwerk gehören inzwischen auch vier Hochschulen, die Kooperationsvereinbarungen mit HESSEN­METALL unterzeichnet haben. Damit haben wir Zugang zu neuesten Technologien, über die wir gemeinsam neue Produkte in die Anwendung bringen können.

Um die Entwicklung noch zu beschleunigen, brauchen wir aber auch eine andere Fehlerkultur. Solange jeder Angst hat, Fehler zu machen, bleibt die Kreativität auf der Strecke. Man sollte in den Betrieben bei den neuen Dingen viel mehr Möglichkeiten haben, Ideen einfach mal auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen. Um neue Ziele zu erreichen, braucht es in vielen Unter­nehmen dafür einen echten Kulturwandel. In beiden Unter­nehmen arbeiten wir bereits intensiv an diesem Kulturwandel.

OOECHSLER z. B. ist eines der führenden Unter­nehmen, wenn es um 3-D-Druck in Serie geht. Wir produzieren individuell angepasste Teile zum Schutz des Menschen, etwa in Sportwagensitzen, im Helm für Football-Spieler, für Fahrradsättel und sogar für Rucksäcke. Auch da muss man schon mal ausprobieren. Und das ist nicht einfach, denn der Kunde erwartet ja immer zu 100% Qualität, also eine Null-Fehler-Quote. Aber: Wenn ich mit einem Produkt neu auf den Markt gehen will, geht das vielleicht auch, wenn man die 100% noch gar nicht erreicht hat. Man kann ja Updates nachliefern, wenn der Kunde darüber informiert ist, dass das Produkt noch nicht zu 100% ausgereift ist. Manchmal sollte man wirklich einfach mutiger sein. Andere, gerade im Silicon Valley, machen das ja vor.

Wie steigern Sie die Motivation Ihrer Belegschaft, gerade, wenn man gefühlt aus dem Krisenmodus gar nicht mehr heraus kommt?

Menschen sehnen sich nach der Anerkennung Ihrer Arbeit, ihrer Leistung und sie wollen den Sinn hinter ihrer Arbeit verstehen. Je jünger, umso mehr fragen sie nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Was wird aus dem Produkt, an dem Du da arbeitest? Für was wird es eingesetzt? Was passiert durch mein tägliches Tun? Das sind nur einige der Fragen, auf die man Antworten will.

John F. Kennedy fragte bei einem Besuch der NASA einen Mann, der den Boden wischte, was er da tue. Dessen Antwort kam, wie Augenzeugen berichteten, spontan: „Ich bringe einen Mann auf den Mond!“ Alles sauber und ordentlich zu halten war seine Aufgabe, sein ganz persönlicher Anteil an dem Projekt Mondfahrt und genau dieser Beitrag zu einem großartigen Projekt war ihm bewusst. Deshalb: Wir müssen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder zeigen, dass wir sie mit ihrer Leistung als Beitrag zum Unter­nehmenserfolg sehen, aber auch, wie sie mit dazu beitragen, das Leben und die Menschheit besser zu machen.

Und wie machen Sie das Leben besser zum Beispiel durch die Produkte von Arno Arnold? Was ist Ihr „Purpose“?

Wir produzieren Schutzabdeckungen für den Maschinenbau. Sie schützen bewegliche Teile, damit die Teile nicht verschmutzt oder beschädigt werden aber auch, damit niemand dort hineingreifen kann und sich schwer verletzten würde. Das wissen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber inzwischen erzählen wir ihnen auch, was mit diesen Maschinen hergestellt wird: Eben nicht nur Autos und Motorräder, sondern zum Beispiel auch Herzklappen in unglaublicher Qualität oder künstliche Hüftgelenke, weil wir Abdeckungen in dem dafür notwendigen Reinheitsgrad herstellen können. Und das macht sie stolz.

Das alles muss aber auch insgesamt zur Unter­nehmenskultur passen. Menschen achten genau darauf, wie man mit ihnen, mit den Kollegen, den Lieferanten und auch mit den Kunden umgeht. Und sie wollen wissen, was wir als Unter­nehmen für die Umwelt und zum Schutz des Klimas tun und natürlich auch, wie wir in Krisen reagieren. Dann ist es plötzlich auch ein Thema, ob und wie wir etwas für Flüchtlinge aus der Ukraine tun. Das alles reicht aber nicht, wenn das nur auf einem tollen Schild am Eingang steht. Es muss wirklich gelebt werden. Dann haben wir hochmotivierte Spitzenteams hinter uns.

Was ist also für Sie der richtige Mix für den Erfolg Ihrer Unter­nehmen?

Führung ist also immer auch Sinnvermittlung. Arno Arnold und Oechsler sind beides Familienunternehmen in der inzwischen sechsten Generation. Man nutzt unterschiedliche Tools, um mit seinen Kunden aus dem Maschinenbau oder der Automobilindustrie zu agieren. Aber in der Unter­nehmenskultur, wie wir etwa mit den Belegschaften umgehen, gibt es keine Unterschiede. Dieser Anspruch ist in beiden Unter­nehmen gleich. Wir machen auf unserem Weg nur unterschiedliche Fehler.
Natürlich muss ein Betrieb wirtschaftlich geführt werden und der Dreiklang von Technologie, Ökonomie und Ökologie funktionieren. Aber wir achten eben auch sehr auf die soziale Komponente und gerade im Zuge der Digitalisierung darauf, dass wir Menschen nicht überfordern durch die Einführung neuer Technologien. Auch hier nehmen wir sie mit, zum Beispiel durch entsprechende Weiterbildung.

Wie verändert der Strukturwandel die Formen der Zusammenarbeit? Laut Studien gibt es dabei Gewinner und Verlierer. Unsere im Dezember vorgestellte Automotive-Studie Hessen arbeitete ja heraus, dass zum Beispiel durch den Wegfall des Verbrennungsmotors 23.000 Beschäftigte in der Automobilindustrie dadurch ihren Job verlieren, inzwischen aber auch 9.000 Stellen geschaffen durch Chancenfelder wie die E-Mobilität.

Wir müssen unternehmerisch in erster Linie auf die Chancen schauen. Jedes Unter­nehmen erlebt im Markt Veränderungen und damit auch den Wegfall von Aufgaben, wenn man Pech hat auch von Arbeitsplätzen. Und dennoch entstehen immer wieder neue Aufgaben und Arbeitsplätze.

Aber dazu muss man sehr offen und neugierig bleiben. Was man nicht machen darf ist, Technologien zu verteufeln oder zu monopolisieren, wie es der Staat mit deutschen Schlüsselindustrien wie der Automobilwirtschaft macht: Sie diffamiert und schärfere Maßnahmen einfordert, als es die EU-Richtlinien erfordern. Die Fahrradhändler werden nicht kompensieren, was bei der Autoindustrie verloren geht. Es leben nicht alle in Berlin und haben einen S-Bahn-Anschluss.

Ich glaube fest an die Kräfte des Marktes, aber es muss endlich mal Schluss sein mit der Verteufelung des Automobils. Wir bauen in Deutschland die besten Autos – mit Verbrennungsmotoren. Die werden gebraucht - überall in der Welt. Ob uns das passt oder nicht. Aber wir bauen auch immer mehr E-Mobile und auch schon Nutzfahrzeuge mit Wasserstofftechnologie. Software und IT allein ernähren uns nicht und bringen uns auch nicht von A nach B. Der Staat muss endlich aufhören, Leistungsträger und Unter­nehmen auf Dauer immer mehr zu belasten. Wir brauchen dringend deutliche Entlastung und nicht noch mehr Druck.

Was haben Sie aus der Geschichte ihrer beiden Unter­nehmen gelernt?

„Keine Zukunft ohne Herkunft“ – diese Einsicht ist heute Konsens. Unsere Unter­nehmen sind beide 1864 gegründet worden und es ist heute unvorstellbar, welche Krisen sie in ihrer Zeit meistern mussten und auch mit wieviel Kreativität, Mut und auch Entschlossenheit sie wohl vorangehen mussten. Und das zeichnet besonders Familienunternehmer meines Erachtens bis heute aus. Der Staat sollte ruhig etwas mehr Respekt haben vor der Bereitschaft der Unternehmerinnen und Unternehmer, Risiko zu übernehmen und er sollte auch darauf achten, dass die jungen Leute, die Nachfolgegeneration, nicht den Spaß daran verliert.

Herkunft ist für mich immer etwas Wertvolles. Und das stelle ich auch fest, wenn ich jetzt im 75. Jubiläumsjahr die Entwicklung von Hessenmetall betrachte. 61 Unternehmer kamen damals zusammen und brachten den Arbeitgeberverband im Oktober 1947 auf den Weg. Heute sind wir ein Netzwerk Arbeit 4.0 für bereits über 660 Mitgliedsunternehmen. Und auch heute noch kommen wir zusammen, um uns zu treffen, zu diskutieren, zu lernen und auszutauschen. Die faire Aushandlung von Entlohnungs- und Beschäftigungssystemen ist unsere Kernkompetenz. Daneben gibt es jede Menge Unterstützung für die Unter­nehmen, sei es im Bereich Arbeitswissenschaften, beim Recruiting der Beschäftigten oder deren Aus- und Weiterbildung. Und seit 5 Jahren verstärkt mit Erfahrungsaustauschen zur Digitalisierung und KI sowie zum Technologietransfer und zum Nachhaltigkeits-Management. Seit ich das erste Mal bei einer Veranstaltung von HESSEN­METALL war vor mehr als 20 Jahren habe ich ungeheuer viel gelernt. Für mich ist HESSEN­METALL ein Verband wertstiftender Sinnhaftigkeit, um erfolgreich ein Unter­nehmen zu führen. Deshalb kann ich jeden nur ermutigen, sich hier zu engagieren.  

Zur Person:
Wolf Matthias Mang


Wolf Matthias Mang wurde 1957 geboren und ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt. Das Familienunternehmen Arno Arnold in Obertshausen leitet er gemeinsam mit seiner Ehefrau, seiner Tochter und dem Schwiegersohn. Zudem ist er Aufsichtsratsvorsitzender des Technologiekonzerns Oechsler AG in Ansbach/Mittelfranken. Seit 2013 ist er Vorsitzender von HESSEN­METALL, seit 2014 auch Präsident der hessischen Unternehmerverbände (VhU). Außerdem ist er Vizepräsident von Gesamtmetall und Präsidiumsmitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Die Unter­nehmen:

Arno Arnold in Obertshausen
Arno Arnold ist ein Familienunternehmen in der 6. Generation mit knapp 100 Beschäftigten. Spezialität ist die Entwicklung und Herstellung von Abdeckungen zum Schutz vor Spänen, Schmutz und Flüssigkeiten, die im Maschinen- und Anlagenbau eingesetzt werden.

Oechsler AG in Ansbach/Mittelfranken
Die Oechsler AG in Ansbach/Mittelfranken, bis heute im Familienbesitz, wurde 1864 gegründet und ist ein international führender Anbieter in der Kunststofftechnologie mit rund 3.100 Beschäftigten weltweit. Mit einer dreistelligen Anzahl von 3D-Druckern und insgesamt über 2 Millionen produzierten Komponenten zählt das Unter­nehmen zu den größten Serienfertigern im Additive Manufacturing.