Frankfurt am Main. Die hessischen Schulen und Schulfamilien stehen seit einem Jahr unter besonderem Stress. Sie pendeln im Spannungsfeld zwischen Recht auf Bildung und Gesundheitsschutz von Distanz- zu Präsenzunterricht. Das 42. Bildungsforum der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände nahm sich dieser Thematik an und lotete mit rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie den bildungspolitischen Sprechern aus dem Landtag aus, welche Lehren aus der Pandemie für die hessischen Bildung bislang gezogen werden können. Prof. Dr. Kai Maaz, geschäftsführender Direktor am DIPF Leibniz- Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main und Berlin, gab in seinem Vortrag Impulse aus der wissenschaftlichen Sicht.
Sebastian Kühnel, VhU Geschäftsführer Bildung und Gesellschaft, betonte zum Start der Veranstaltung, dass die Pandemie bestehende und neu hinzugekommene Defizite im Bildungsbereich offen legt und zugleich wichtige Fragen stellt: „Wie digital sind die Schulen? Wie können wir Bildungschancen und -zugänge gerechter ermöglichen? Welche Defizite und Leistungsunterschiede haben sich durch die Pandemie verstärkt? Wie geht es generell weiter und welche Lehren ziehen wir in Hessen für die Schulen und ihre Akteure? Diese und viele andere Fragen müssen wir aufwerfen und vor allem auch Antworten darauf finden.“
Kühnel wies darauf hin, dass sich Trends und Probleme, die vorher schon existierten, verschärfen. „Das wird zum Beispiel bei der Bildungsgerechtigkeit genauso deutlich wie bei der Digitalisierung. Umso wichtiger ist es, jetzt ehrlich und umfassend zu analysieren, Lehren zu ziehen und Lösungen für die Zukunft zu entwickeln. Bei allem aktuellem Stress: Wir brauchen einen Masterplan Bildung in Hessen für die kommenden Wochen, Monate und Jahre. Auf den Prüfstand müssen zum Beispiel die Lehreraus- und -fortbildung und die Entscheidungsstrukturen bei der Schulorganisation. In einen Masterplan Bildung Hessen müssen Maßnahmen wie Lernstanderhebungen, Nachhilfeangebote und -pläne, eine stabile und einheitliche digitale Infrastruktur inklusive bisheriger und erprobter Tools Eingang finden“, so Kühnel.
In seinem Vortrag stellte Prof. Dr. Maaz, aus wissenschaftlicher Expertensicht vor, mit welchen kurz-, mittel- und langfristigen Strategien sich die hessische Bildungs- und Schullandschaft künftig aufstellen kann. „Auf Dauer muss es unser aller Ziel sein, den Unterricht und das Lernen so zu gestalten, dass Bildungserfolg nicht mehr abhängig ist von der sozialen Herkunft der Kinder. Das erfordert wesentliche Änderungen bei der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften, aber auch im Zusammenspiel von Schule und Verwaltung“, unterstrich Prof. Dr. Maaz und schlug eine Gesamtstrategie vor, die unter anderem Antworten auf die zunehmende Heterogenität in den Schulen und den Umgang damit geben soll. Nach dem Vortrag brachten sich die Teilnehmenden der Videokonferenz über die Chatfunktion in die Diskussionsrunde mit Prof. Dr. Maaz ein, die von Matthias Rust, Geschäftsführer LAG SCHULEWIRTSCHAFT Hessen, moderiert wurde.
Anschließend skizzierten die bildungspolitischen Sprecher Christoph Degen (SPD), Elisabeth Kula (Die LINKE), Daniel May (Bündnis 90/Die Grünen), Moritz Promny (FDP) und Armin Schwarz (CDU) ihre Sicht auf die Lehren der Pandemie für das hessische Bildungssystem. Bei allen Unterschieden bestand Einigkeit darin, dass Präsenzunterricht nur schwer ersetzt werden könne. Als weitere Themen griffen die Sprecherin und die Sprecher die Digitalisierung, den Datenschutz, die Schulautonomie, den Ausbau des Ganztagsangebots, die Kompensation von Lernrückständen, die Ausweitung von pädagogischer Begleitung sowie den Lehrkräftemangel auf. May und Schwarz verwiesen außerdem auf die anstehende Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes.