Autobahnen und Bundesstraßen

Dr.-Ing. Jochen Knake: „Bundesfernstraßengesellschaft muss für mehr Effizienz sorgen und zugleich die „Vor-Ort-Kompetenz“ von Hessen Mobil aufrecht erhalten!“

Frankfurt am Main. Wer sorgt künftig für gute Autobahnen und Bundesstraßen – Bund oder Land? Beim heutigen Verkehrsforum der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) ging es darum, wie die geplante Bundesfernstraßengesellschaft ausgestaltet werden soll und was aus der Straßenbauverwaltung HessenMobil mit 3.500 Beschäftigten in der Zentrale in Wiesbaden, in 12 regionalen Standorten, in 60 Autobahn- und Straßenmeistereien und in der Verkehrszentrale in Frankfurt-Rödelheim wird. Hessen Mobil betreut 1.000 km Autobahnen und 3.000 km Bundesstraßen in Hessen. Diese Aufgabe reicht von der Planung des Ausbaus oder Neubaus von Strecken bis hin zum täglichen Betrieb.

Bund und Länder hatten sich am 14. Oktober geeinigt, dass die Autobahnen künftig nicht mehr von den Ländern, sondern vom Bund verwaltet werden sollen. Dazu soll eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ eingesetzt werden. Das Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen soll im Grundgesetz festgeschrieben werden. Offen blieb, wer künftig die Bundesstraßen verwalten soll: Es wurde ein „opt-out“-Recht für die Länder ohne nähere Angaben beschlossen.

Die VhU bekräftigte heute ihre grundsätzliche Unterstützung einer Bundesfernstraßengesellschaft, betonte aber, dass es sehr auf die konkrete Ausgestaltung ankomme: „Wir müssen die Effizienzprobleme einer gesplitteten Verantwortung von Finanzierung und Aufgabenwahrnehmung beseitigen, und dabei die „Vor-Ort-Kompetenz“ der Länder aufrecht erhalten“, sagte Dr.-Ing. Jochen Knake, Vorsitzender des VhU-Verkehrsausschusses und Geschäftsführer des Elektroindustrieunternehmens NOLTA GmbH in Cölbe bei Marburg.

Für Norbert Barthle (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, besteht das verkehrspolitische Ziel darin, „Mobilität zu ermöglichen und nicht zu behindern“. Auch er ist der Auffassung, dass Investitionen in die Verkehrs­infrastruktur die Wirtschaft stärken und „zukunftssichere Arbeitsplätze“ schaffen: „Deswegen hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den Investitionshochlauf gestartet, mit dem wir unsere Investitionen bis 2018 um 40 Prozent auf jährlich 14 Milliarden Euro steigern. Und der neue Bundesverkehrswegeplan 2030 ist mit einem Volumen von fast 270 Milliarden Euro das stärkste Investitionsprogramm für die Infrastruktur, das es je gab. Nun kommt darauf an, dass diese Rekordmittel auch effektiv eingesetzt werden. Diesem Ziel wird die künftige Bundesautobahngesellschaft dienen – dank der Bündelung von Finanzierung, Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb beim Bund.“

Der Marburger Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Sören Bartol, sagte: „Wir wollen eine doppelte Privatisierungsbremse im Grundgesetz. Der Bund hat das Eigentum an der Gesellschaft und an den Bundesfernstraßen. Nur so wird sichergestellt, dass der Bund nicht nur ein Premiumnetz der Autobahnen, sondern ein zu definierendes Netz aus Bundesfernstraßen plant, baut und betreibt. So kann der Bund nach Bedarf und Priorität statt nach Himmelsrichtung über aus gesamtstaatlicher Sicht nötige Straßeninvestitionen entscheiden.“

Frank-Peter Kaufmann, Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag, sah die bundesweite Zentralisierung der Straßenbauverwaltung äußerst skeptisch: „Projekte vor Ort lassen sich von entfernt stehenden Behördenschreibtischen aus kaum effizient steuern und überwachen. Durch die Schaffung neuer Behördenstrukturen wird obendrein zunächst viel Leerlauf entstehen, verbunden mit viel Streit zwischen Bund und Ländern über die Bedingungen der Übernahme von Aufgaben und Personal. Aus Sicht des Landes ist allerdings ein positiver Punkt zu unterstreichen; zukünftig muss das Land dann nicht mehr aus eigenen Haushaltsmitteln die Planung der Bundesfernstraßen massiv subventionieren und kann das Geld im eigenen Bereich einsetzen, z. B. für die Sanierung der Landesstraßen.“

Der frühere hessische Verkehrsminister Dieter Posch (FDP), der heute Vorsitzender des FDP-Fachausschusses für Verkehr ist, sagte: „Die Auftragsverwaltung hat in der Vergangenheit bei der Herstellung von Verkehrs­infrastruktur Großartiges geleistet. Die Aufgaben haben sich jedoch gravierend geändert und schon aus Gründen der Beseitigung bürokratischer Hindernisse und der Beschleunigung ist eine Infrastrukturgesellschaft dringend geboten."

Die Relevanz guter Autobahnen und Bundesstraßen für die deutsche Logistik- und Transportwirtschaft verdeutlichte Frank Sportolari, Generalbevollmächtigter UPS Deutschland mit 18.000 Beschäftigten in Deutschland, davon etwa 1800 in Hessen: „Wirtschaft und Handel verlangen nach immer effizienteren und schnelleren Logistik-Lösungen. UPS investiert derzeit 2 Milliarden Euro in sein europäisches Bodennetzwerk, um Transportzeiten zu verbessern. Wir bewegen hier täglich Handelsgüter, das Ersatzteil für die Industrie genauso wie Lieferungen für Privathaushalte. Eine leistungsfähige Infrastruktur ist nicht nur für unsere Dienstleistungen enorm wichtig. Sie ist die Voraussetzung, um verschiedene Ebenen in den Wertschöpfungsketten zu verbinden, und, um den Austausch von Waren zu ermöglichen. Damit ist sie eine wichtige Grundlage für Wohlstand.“

Stefan Gerwens, Geschäftsführer von Pro Mobilität, begrüßte den Bund-Länder-Beschluss für eine Infrastrukturgesellschaft: „Mit der Bündelung der Zuständigkeiten für Autobahnen und Teile des Bundesstraßennetzes in einer Hand lassen sich Bauvorhaben schneller umsetzen. Die Infrastrukturgesellschaft kann flexibler am Arbeitsmarkt um Fachkräfte werben, als es Behörden in der Regel möglich ist. Die Detailverhandlungen von Bund und Ländern sollten von dem Willen geprägt sein, gemeinsam eine dauerhaft gute Qualität von Autobahnen, Bundesstraßen und Landesstraßen zu gewährleisten. Damit Deutschland mobil bleiben kann, brauchen alle Ebenen des Straßennetzes ein leistungsfähiges Management und kompetente Fachkräfte.“ Neben dem Aufbau der neuen Bundesgesellschaft müsse auch die vorhandene Auftragsverwaltung optimiert werden, so Gerwens mit Blick auf die vielen Bundesstraßen, die voraussichtlich in der Zuständigkeit der Länder blieben. Er betonte zudem, dass „die Bundesfernstraßen und auch die Infrastrukturgesellschaft Verkehr im Eigentum des Bundes sein sollten.

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